: Dschihad-Werbung auf YouTube
TERROR Filiz G., Ehefrau eines der verhinderten Sauerlandattentäter, steht vor Gericht. Sie soll über 1.000 Videos und Beiträge ins Netz gestellt haben, um für den Dschihad zu werben
■ Festnahme: Die Polizei hat am Freitag einen 18-jährigen Terrorverdächtigen im saarländischen Neunkirchen festgenommen. Auf seine Spur sei man durch auf der Internetplattform Youtube veröffentlichte Videos gekommen, in denen mit Anschlägen in Deutschland gedroht wurde.
■ Hintergrund: Der Mann wollte ein Mitglied der Sauerland-Gruppe freipressen. Angaben aus Sicherheitskreisen zufolge ist er ein „fanatisierter Einzeltäter“. (wos)
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AUS BERLIN WOLF SCHMIDT
Die Sicherheitsvorkehrungen im Berliner Kriminalgericht waren streng. Das hing vermutlich auch mit Aufrufen in islamistischen Foren zusammen, alle Geschwister sollten doch zur Verhandlung gegen die „vertrauenswürdige, liebevolle, hilfsbereite Schwester“ kommen.
Die Bundesanwaltschaft bewertet das Handeln von Filiz G. freilich etwas anders. Sie wirft der Ehefrau des verhinderten Sauerlandattentäters Fritz G. vor, Mitglieder und Unterstützer für die im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet agierenden Terrorgruppen „Deutsche Taliban Mudschaheddin“ (DTM) und die „Islamische Dschihad Union“ (IJU) geworben zu haben – von Letzterer hatte sich einst auch ihr Mann ausbilden lassen, der für seinen im September 2007 im sauerländischen Medebach-Oberschledorn aufgeflogenen Anschlagsplan zu zwölf Jahren Haft verurteilt wurde.
Der 29-jährigen Filiz G. wirft die Bundesanwaltschaft vor, mehr als 1.000 Videos, Beiträge und Kommentare in das bedeutendste deutschsprachige Dschihadistenforum eingestellt zu haben, das Teil des internationalen Ansar-al-Dschihad-Netzwerks ist. Ihr Pseudonym dort: „Fisebilillah“.
Filiz G. war dort nicht irgendwer, sondern soll Administratorenrechte besessen haben, um andere Beiträge zu löschen und eigene einzustellen. Auch über von ihr eingerichtete YouTube-Kanäle soll Filiz G. Videos der Terrorgruppen verbreitet haben – darunter eines der IJU, das zeigt, wie Kinder im Umgang mit Schusswaffen geschult werden. „Bleib nicht stumm hey du Moslem“, lautete laut Anklage das Motto ihres Profils.
Doch Filiz G.s Aktivitäten gingen offenbar noch über das Hochladen und Verlinken von Dschihad-Werbevideos hinaus. So soll sie zusammen mit Ahmet M., den die Bundesanwaltschaft als ehemaligen Emir der DTM ansieht, an Textbeiträgen der erstmals im September 2009 in Erscheinung getretenen Terrortruppe gebastelt haben. Ahmet M. und zwei weitere aus Deutschland stammende Islamisten starben Ende April bei einem Feuergefecht mit pakistanischen Sicherheitsbehörden.
Auch finanzielle Unterstützung soll Filiz G. gemeinsam mit einem 21-jährigen Mitangeklagten über Mittelsmänner der IJU und der DTM zukommen lassen haben. Geld, mit dem unter anderem Waffen und Munition beschafft werden sollten.
Filiz G. schwieg zum Prozessauftakt zu den Vorwürfen, sie lächelte sie weg. Zu Beginn der Verhandlung stand sie voll verschleiert im Niqab hinter Sicherheitsglas. Als Fernsehen und Fotografen weg waren, verließ sie den Glaskäfig, setzte sich zu ihren Anwälten und zog sich den Schleier unters Kinn. Rund zwanzig Unterstützer saßen im Zuschauerraum, verhielten sich aber weitgehend friedlich.
Für den Prozess sind mehr als 30 Verhandlungstage angesetzt. Viele Fragen sind noch offen. Die zentrale: Wie ist Filiz G. zur Online-Dschihadistin geworden?
Denn direkt nach der Verhaftung ihres Mannes in Medebach-Oberschledorn äußerte sich Filiz G. im Netz noch ganz anders. Im Forum einer Internetseite, die der IJU zugeordnet wird, beschimpfte sie nicht etwa den deutschen Staat – sondern die Terrortruppe IJU. „Mit wem arbeitet ihr zusammen? Mit dem Teufel?“, schrieb sie. „Gott verfluche Euch. Ihr wollt den Islam beschmutzen. Die Hölle ist groß!“