: Wenn Fahrgeld und Eintrittskarten fehlen
HARTZ IV Die Verteilung des Geldes aus dem „Bildungspaket“ erzeugt ausufernde Bürokratie
BERLIN taz | Das Nachbarschaftsheim Neukölln in Berlin hat einen guten Ruf. Der Coole-Kids-Rap, ein Tanzvideo, ist für den Berliner Medienpreis nominiert. Viele Kinder nutzen das interkulturelle Zentrum am Nachmittag. Sie sind die Zielgruppe für das von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) geplante „Bildungspaket“. Eigentlich.
Das Problem ist nur: Die künftig ausgestellten Gutscheine für Tagesausflüge und das Mittagessen von armen Kindern „gelten nur dort, wo Angebote in schulischer Verantwortung oder in Kitas vorhanden sind“, erklärt eine Sprecherin des Arbeitsministeriums der taz. Kiezzentren zählen nicht dazu.
Dabei „wäre es schon eine Erleichterung, wenn manchmal bei Ausflügen das Fahrgeld oder das Eintrittsgeld übernommen werden könnte“, sagt Dorothee Peter, die im Nachbarschaftsheim für die Familienbildung zuständig ist. Auch der Mittagstisch ist mit 2 Euro pro Tag manchen arbeitslosen Eltern schon zu teuer.
Dass diese Angebote der Nachbarschaftsheime im Bildungspaket nicht berücksichtigt werden, ist widersinnig. Denn Kinder aus Familien im Hartz-IV-Bezug bekommen oft gar keinen Platz in einer Kindertagesstätte mit Schülerhort. Sie werden gegenüber dem Nachwuchs berufstätiger Eltern nachrangig behandelt – mit dem Argument, ihre Erziehungsberechtigten hätten ausreichend Zeit für die Betreuung.
Doch das ist nicht das einzige Problem. Das Gesetz zum Bildungspaket, das den Bundesrat noch passieren muss, sieht vor, dass Kinder im Hartz-IV-Bezug ab 1. Januar zusätzlich Geld für Ausflüge und Mittagessen in Schulen oder Kitas erhalten oder 10 Euro im Monat als Mitgliedsbeiträge für Sportkurse oder Musikunterricht in Anspruch nehmen können. Die brennende Frage dazu lautet: Wer genau kommt wie an das Geld?
Eins ist schon klar: „Die Eltern selbst müssen die Anträge auf Förderung vorher beim Jobcenter stellen“, erläutert eine Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit. „Das wird schwierig“, gibt eine Erzieherin eines Schülerhorts in Berlin zu bedenken, „die Leute haben jetzt schon massive Probleme mit der Bürokratie im Jobcenter.“
Auch zwischen Schulen, Kitas, Vereinen und den Jobcentern müssen Vereinbarungen getroffen werden. Schließlich rechnen die Jobcenter mit den Anbietern ab, entweder über das Einlösen von Gutscheinen der Eltern oder die Erstattung von Mitgliedsbeiträgen. „Es muss eine Regelung etwa zwischen dem Sportverein und dem Jobcenter vorhanden sein“, betont Uwe Mählmann, Sprecher der Berliner Arbeitsagenturen.
Eltern können sich also nicht irgendeinen Verein für ihren Sprössling aussuchen. Man wolle auch verhindern, dass etwa Angebote, die jetzt für Kinder im Hartz-IV-Bezug unentgeltlich sind, in Angebote mit Gebühren umgewidmet werden, erklärt die Sprecherin der Bundesagentur.
Infrage kommen ohnehin nur billige Kurse. Instrumentalunterricht in Musikschulen etwa kostet meist mehr als 20 Euro im Monat und ist daher auch mit dem Bildungspaket nicht erschwinglich, wenn er nicht zusätzlich ermäßigt wird.
Um die Bürokratie gar nicht erst ausufern zu lassen, schlägt der Paritätische Wohlfahrtsverband vor, die Förderung der Kinder nicht einzeln über die Jobcenter, sondern kollektiv über die Gemeinden laufen zu lassen. Die Kommunen erhielten dann einen pauschalen Betrag, der sich an der Anzahl der Kinder im Hartz-IV-Bezug vor Ort bemisst. Im Gegenzug müssten sie sich zu einem „jährlichen Verwendungsbericht an die Jobcenter“ über die Verwendung der Mittel verpflichten, schlägt der Verband vor. Doch dieser einfache Weg ist politisch verschlossen.
BARBARA DRIBBUSCH