: Staatlicher Genmais
Auf zehn Feldern in NRW wurde jahrelang heimlich Gentechnik ausprobiert. Jetzt kommt heraus: Betreiberin war auch die Landwirtschaftskammer. „Juristisch korrekt“, sagt Minister Uhlenberg
VON MIRIAM BUNJES
Die nordrhein-westfälische Landwirtschaftskammer hat jahrelang mit genetisch verändertem Mais experimentiert, ohne die damalige Landwirtschaftsministerin Bärbel Höhn (Grüne) darüber zu informieren. Auch jetzt fließt die Information nur unter Druck: Die Grüne und die SPD-Fraktion im NRW-Landtag hatten in der vergangenen Woche parlamentarische Anfragen an die Landesregierung gestellt. „Wir haben es für nicht so wichtig gehalten, weil die Flächen nur ganz klein waren“, sagt Bernhard Rüb, Sprecher der Landwirtschaftskammer. Sie erhält jährlich 98 Millionen Euro vom Land und untersteht dem Landwirtschaftsministerium. „Frau Höhn hätte ja auch fragen können, sie hat uns zu anderen Themen mit Anfragen überschüttet.“
Dass in NRW seit mindestens 1998 genetisch veränderte Pflanzen angebaut werden, wurde vor zwei Monaten eher zufällig bekannt, als Unbekannte ein Maisfeld in Greven zerstörten. Das Bundessortenamt bestätigte damals auf Anfrage der taz, dass sowohl im münsterländischen Greven als auch in Borken schon seit acht Jahren der Gen-Mais Mon810 der US-Firma Monsanto angebaut wird. Von privaten Landwirten – hatten Naturschutzverbände bislang vermutet. Inzwischen nennt das NRW-Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Verbraucherschutz noch zehn andere Anbauflächen in Borken, Wesseling, Geldern, Greven, Hommersum, Liesborn, Neulouisendorf, Ostinghausen, Rheinberg-Alpsray und Saerbeck, auf denen zwischen 1999 und 2004 genetisch veränderter Mais und Raps angebaut wurde. Und eine öffentliche Betreiberin: die Landwirtschaftskammer NRW.
„Ein Skandal“, findet Johannes Remmel, umweltpolitischer Sprecher der Grünen im Landtag. „Die Kammer kannte Bärbel Höhns kritische Haltung zur Gentechnik und hat sie durch diese gezielte Desinformation sabotiert.“
Minister Uhlenberg sieht das anders. Er nennt das Verhalten der Landwirtschaftskammer „juristisch korrekt“ und will es ansonsten nicht kommentieren. „Wir haben keine Probleme mit der Kammer“, sagt sein Sprecher Markus Fliege.
Juristisch korrekt ist das Verhalten der Kammer tatsächlich. Flächen mit genetisch veränderten Pflanzen müssen erst seit 2005 in ein öffentlich zugängliches Register im Internet eingetragen werden. „Das ist ein politischer Skandal“, findet Ralf Bilke vom Bund für Umwelt und Naturschutz. „In NRW lehnen Bauern und Verbraucher mehrheitlich Gentechnik ab. Sie hätten sich gegen die Versuche gewehrt.“ Um dies zu umgehen, habe man den Genmais geheimgehalten. „Damit dient die Kammer den großen Agrarfirmen und nicht den Landwirten“, sagt Bilke. „Und der Minister unterstützt das durch Kritiklosigkeit.“
Auch die Grünen fordern von Eckhard Uhlenberg Konsequenzen gegen die Landwirtschaftskammer. „Die Kammer hat ein für die Öffentlichkeit wichtiges Thema verschwiegen“, sagt Remmel. Das sei nicht im Sinne des Verbraucherschutzes.