: Befreit euch!
RUCH-REPORT Frankreichs „Libération“, einst Vorbild der taz, war mal stark – und kriselt jetzt. Warum?
Die französische Tageszeitung Libération war für die taz in der Gründerzeit ein wichtiges Vorbild. Die Wege der beiden Blätter nahmen in den Jahrzehnten aber sehr unterschiedliche Richtungen. Das liegt auch an den differenten politischen Kulturen beider Länder. Die taz ist mit der grünen Alternativbewegung der achtziger Jahre groß geworden. Mit ihren Kernthemen Ökologie, Nachhaltigkeit und Emanzipation hat sie die Modernisierung der deutschen Gesellschaft vorangetrieben.
Libération war hingegen in Frankreich immer Teil einer auch linken Elite. Anfang der Neunziger gab es mal eine Kooperation bei der Herausgabe einer globalen Beilage namens World Media (W. M.). Die endete 1992, als die taz sich weigerte, eine Rüstungsanzeige in der deutschen Ausgabe abzudrucken. Sie flog aus dem Verbund, und die Süddeutsche Zeitung übernahm ihren Part, allerdings nur kurz, bis W. M. eingestellt wurde.
Drei Jahre später begann die taz ihre bis heute erfolgreiche Kooperation mit Le Monde diplomatique.
Heute ist Libération an einem Punkt, wo das Ende droht, wenn nicht neue Investoren frisches Kapital in die Zeitung schießen. Solche Geldgeber, die gern in Zeitungen investieren, fand man früher leicht, heute bietet das Internet für sie die zukunftsträchtigeren Chancen. Die Frage nach Alternativen lässt sich aus der Distanz nur schwer beantworten.
Natürlich halten wir die Genossenschaft, insbesondere die bei der taz praktizierte Kombination aus Produktions- und Konsumgenossenschaft nach unseren guten Erfahrungen der letzten 20 Jahre für eine ideale Unternehmensform für Medien. Mit ihr können engagierte JournalistInnen über ihre eigenen Kanäle jeden Tag Hunderttausende ihrer Kunden erreichen.
Nur wäre eine Transformation, wie bei Libération nötig, nicht ohne Kulturwandel möglich. Die Motivation zur Gründung einer Genossenschaft ist eine andere als die zur Suche eines neuen Investors. KARL-HEINZ RUCH
■ Karl-Heinz Ruch, 60, ist Geschäftsführer der taz und analysiert regelmäßig die Medienbranche