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Archiv-Artikel

Die Großdealerin

GRAS Der US-Staat Colorado ist seit Anfang des Jahres ein riesiges Versuchslabor für den legalen Handel mit Cannabis. Menschen, die nie davon geträumt hätten, werden reiche Geschäftsleute

The Cannabist

■ Business: Die Marihuanaverkaufsstellen werden in Colorado streng kontrolliert. Bei Verstößen droht die Schließung. Wegen strikter Laborkontrollen ist die Qualität des Marihuanas aus Denver in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen. In den 1980er Jahren lag der THC-Anteil bei drei bis fünf Prozent. Jetzt erreicht das stärkste Gras einem Testlabor zufolge 29,4 Prozent.

■ Besucher: Die Suchanfragen nach Hotels in Colorado stiegen im ersten Quartal 2014 um sieben Prozent. Für den 18. bis 20. April sogar um satte 78 Prozent. Dann feiern Aktivistinnen auch in Denver den Pot Day. Die Denver Post bietet mittlerweile eine eigene Marihuanaseite mit einer Kolumne der Schauspielerin Whoopi Goldberg: thecannabist.co.

■ Beschwerden: Seit der Legalisierung Anfang des Jahres werden Autofahrer mit einem Nummernschild aus Colorado in den benachbarten Bundesstaates offenbar häufiger von Polizisten kontrolliert. Mittlerweile hat ein Betroffener eine Klage eingereicht: wegen „Nummernschildprofiling“.

■ Mehr zu Cannabis und seinem energiearmen Anbau ➤ SEITE 13

AUS DENVER DOROTHEA HAHN

Toni Savage Fox steht in einem Raum ohne Fenster im grünen Kunstlicht, während um sie herum ihr Vermögen wächst. Die Cannabispflanzen blühen. „Wahnsinn“, sagt Fox. Manchmal kann sie das alles noch nicht richtig fassen.

Denver’s Discreet Dispensary heißt ihr Unternehmen in dem flachen Backsteinbau inmitten eines Gewerbegebiets von Denver. Oder kurz 3-D. Sie verkauft Cannabis: Samen oder Stecklinge, Öl oder Schokolade, fertig gedrehte Joints oder Salben. Täglich kommen Hunderte Kunden, die oft lang Schlange stehen müssen, bevor sie die schlichten weißen Papiertüten zum Parkplatz tragen können.

3-D ist eines von 136 Unternehmen in Colorado, die seit Anfang des Jahres eine Lizenz für den Verkauf von Marihuana bekommen haben – Marihuana zu Erholungszwecken. Schon im ersten Monat nach der Legalisierung des recreational marijuana hat Toni Fox Waren für 280.000 Dollar verkauft. Das ist mehr Geld, als sie in den zwei Jahren zuvor eingenommen hat. Da verkaufte sie noch medical marijuana an Patienten, auf Rezept.

Inzwischen hat Fox ihre Belegschaft von sechs Beschäftigten im Dezember auf 30 Anfang April vergrößert. Sie baut ein neues Gewächshaus. Sie will im Sommer eine zweite Verkaufsstelle eröffnen. Ihre Küche entwickelt ständig neue Cannabissnacks, Soßen und Öle. Und sie hat Lizenzverträge für Filialen in drei anderen Bundesstaaten unterzeichnet. Sollte der Verkauf von Marihuana auch dort legalisiert werden, will Fox dabei sein. „Cannabis wird ein Milliardengeschäft“, sagt sie.

Von der Gartenbaufirma in die Cannabisproduktion

Die Nachfrage ist so überwältigend, dass Verkaufsstellen in Colorado immer wieder vorzeitig schließen müssen, weil ihnen der Stoff ausgeht. 3-D öffnet vorsichtshalber nur viermal pro Woche, Freitag bis Montag. Da sind die meisten auswärtigen Kunden in Colorado, dem am höchsten gelegenen Bundesstaat mitten in den USA. Sie kaufen mehr Cannabis als die Einheimischen. In Denver darf neuerdings jeder bis zu zwölf Cannabispflanzen für den eigenen Bedarf anbauen.

Die Legalisierung hat Colorado zum größten legalen Versuchslabor der Welt für den Anbau und die Vermarktung von Cannabis gemacht. Mit Treibhäusern, die wie Fließbänder funktionieren – unabhängig von Klima, Jahreszeiten und Bodenqualität. „Wir ernten immer“, sagt die Unternehmerin Fox.

Bevor sie in das Cannabisgeschäft einstieg, hatte sie mit ihrem Mann ein Gartenbauunternehmen. Sie ist 42 Jahre alt, sie kann rechnen, reden, und sie trägt die dezenten Kleider einer Mittelschichtsfrau aus der Provinz. Auffällig sind nur die Marienkäferstecker in ihrem Ohr – und der Glanz in ihren Augen. Fox raucht selbst Gras, „abends einen Joint zur Entspannung“. Oder sie mischt Cannabisblätter in den Salat. Das ist mehr, als die meisten neuen Cannabisunternehmer über sich preisgeben.

3-D ist ein mittelgroßes Unternehmen. Manche Konkurrenten haben doppelt so viele Beschäftigte und bauen bis zu 14.000 Pflanzen an. Das ist die gesetzlich erlaubte Obergrenze. Seit Januar öffnen in Denver immer neue Abgabestellen, die hier dispensarys heißen. 3-D erinnert an eine gemütliche Berghütte oder ein Hippiecafé. Andere wirken mit ihrem minimalistischen Design wie ein Shop für Luxusschmuck oder verbergen ihre Geschäfte hinter Milchglasscheiben, schmucklos und aseptisch.

„Ausweis bitte“, sagt der Mann am Eingang zu Toni Fox’ Laden. Er trägt einen Vollbart, auf seiner Jacke steht „Security“. Am Gurt seiner Militärhose baumeln ein Walkie-Talkie und eine Elektroschockpistole. Auch in seinen Augen schimmert dieser Glanz, der in Denver häufig ist. Neben ihm döst Schäferhund Fritz.

Hinter den beiden öffnet sich ein großer, holzgetäfelter Raum, in dem ein gutes Dutzend Männer und Frauen anstehen. Darunter drei junge Snowboarder, die unterwegs auf die Piste sind. Ein Rentnerpaar, das seinen Fernsehabend vorbereitet. Und ein Geschäftsreisender aus Wisconsin. An den Wänden hängen Fotos der Rocky Mountains. Auf dem Boden liegen Orientteppiche, darauf stehen Zimmerpflanzen und Sofas. Auf dem Tresen: mit Gras gefüllte Gläser. Die Luft ist gesättigt von diesem würzig-süßlichen Geruch. Sie juckt in den Augen. Sie kratzt in der Kehle. Und sie verheißt eine Leichtigkeit, für die manche Leute vom anderen Ende der Welt nach Colorado reisen. Zwischen den Ausweiskontrollen informiert Türsteher Britz über den aktuellen Verkaufspreis und den nächsten Wasserpfeifenmarathon.

Manchmal kommt es Toni Fox immer noch so vor, als habe sie im Lotto gewonnen. „Nach all den Jahren harter Arbeit“, sagt sie. Sie besitzt zurzeit 3.500 Pflanzen, darunter wach machende Sativa und beruhigende Indica. Nach Größe sortiert stehen sie in Plastikbehältern im hinteren Teil des 3-D-Gebäudes. Einige wachsen in einer Wasserkultur und werden mit einer Mischung aus Vogelmist und Melasse gedüngt, sie werden schulterhoch und werfen besonders viel Gras ab. Andere wachsen in Erde, bleiben kleiner und wirken intensiver.

An jedem Stiel hängt ein gelbes Etikett, das die Cannabispflanze vier Monate bis zur Ernte begleitet. Bei Kontrollen kann die Behörde Marijuana Enforcement Division (MED) von den Etiketten elektronisch alle Daten der Pflanze ablesen. Temperatur, Belüftung und Bewässerung sind maschinell gesteuert. Jeden Tag gehen Gärtner durch die Gewächshäuser und schneiden welke Blätter ab. Die Räume haben keine Fenster nach draußen.

Wie Fox bereiten etliche Geschäftsleute ihre Expansion auf den nationalen Markt vor. Manche hoffen, dass ihnen in ein paar Jahren mehrere Millionen für ihre Grasfirmen angeboten werden. Andere wollen selbst Ketten aufbauen.

Aber zunächst ist Colorado allein. Der Bundesstaat hat per Referendum den ersten komplett legalen und staatlich kontrollierten Marihuanamarkt der Welt geschaffen, mit Regeln für Anbau und Verkauf, mit Qualitätsstandards, mit einer Aufsichtsbehörde und mit Steuern, je nach Gemeinde bis zu 21,2 Prozent hoch. In Colorado darf jetzt jeder, der mindestens 21 Jahre alt ist, Cannabis erwerben, Einheimische 28 Gramm pro Kauf, Auswärtige – auch Ausländer – sieben.

Im Frühsommer wird auch der Staat Washington an der Westküste der USA in das Cannabisgeschäft einsteigen. In allen 48 anderen Bundesstaaten bleibt Marihuana entweder illegal oder ist wie zurzeit in 21 Bundesstaaten nur ärztlich empfohlen erlaubt. Die Bundesgesetze der USA behandeln Geschäfte mit Marihuana weiter als Verbrechen und drohen Gefängnisstrafen bis zu lebenslänglich an. Allein im Jahr 2012 nahm die Polizei in den USA 749.825-mal Menschen wegen Marihuanadelikten fest. Schwarze und Latinos trifft es viermal so häufig wie Weiße.

Was Toni Fox zur Marihuanaunternehmerin gemacht hat, ist auch die Geschichte ihres jüngeren Bruders. Abe, heute 40, hatte gedealt, weswegen er 1999 ins Gefängnis musste. „Er hat seinen Freunden Marihuana verkauft“, sagt Fox, „er hatte nie mehr als 100 Dollar in der Tasche.“ Als er zum dritten Mal erwischt wird, bekommt er zehn Jahre. Die große Schwester besucht ihn in der Haft. Die harte Verfolgung von Marihuanadelikten nennt sie „zerstörerisch“. Sie beschließt, keine Ruhe zu geben, bis Marihuana legalisiert und die Strafverfolgung beendet worden ist.

Das Leben von Toni Fox beginnt in einer Trailersiedlung in Minnesota im Mittleren Westen. Ihr Vater, den sie einen „Vietnamveteranen mit posttraumatischem Stress“ nennt, nimmt sich das Leben. Ihre Mutter, für sie eine „hart arbeitende Alkoholikerin mit Lebensmittelmarken“, verdient den Familienunterhalt als Krankenschwester. Als Jugendliche trinkt auch die Tochter viel. Damit hört sie auf, als sie mit 21 ihren Mann kennenlernt. Durch ihn kommt sie zum Gras. Und mit ihm zieht sie nach Colorado.

Als sie vor fünf Jahren in das Geschäft mit dem medizinisch verschriebenen Marihuana einsteigt, sitzt ihr Bruder noch im Gefängnis. Verwandte nennen sie verrückt. Fox lässt sich nicht beeindrucken. Die Ängste und Einwände sind für sie eine „Folge von Indoktrinierung im konservativen Minnesota“. Ein Teil der Geschichte, die sie beenden will.

Keine Branche in Colorado wächst so schnell wie das Marihuanabusiness. Allein im Januar verschaffen die Cannabisunternehmer dem Bundesstaat 2,9 Millionen Dollar an Steuern. Im Februar sind es schon 3,2 Millionen. Für 3-D ist Fox im Januar mit 56.000 Dollar und im Februar mit 54.000 Dollar dabei. „Der Gouverneur und der Bürgermeister von Denver mögen uns nicht“, sagt sie, „aber unsere Steuern kommen ihnen gelegen.“

„Mile High City“ heißt Denver in den Werbebroschüren, weil es auf 1.600 Meter Höhe über dem Meeresspiegel liegt. Der demokratische Gouverneur John Hickenlooper hat sein Privatvermögen mit der Brauerei Wynkoop verdient. Die Legalisierung von Cannabis geht ihm zu weit. Langfristig will er die Steuereinnahmen daraus komplett für die Drogenprävention verwenden.

Colorado wurde schon im Rausch geschaffen

Es ist nicht das erste Mal, dass die Region am Fuß der Rocky Mountains einen Rausch erlebt. Der letzte begann 1858 mit der Entdeckung von Gold in einer Gegend, die bis dahin nur dünn besiedelt gewesen war. Einige Jahre später avancierte Colorado 1865 zum Bundesstaat. Die Schicht aus echtem Gold auf der Kuppel des Capitols erinnert an den Aufstieg.

Wie damals, als die Hersteller von Schaufeln und anderen Werkzeugen Vermögen anhäuften, verdienen auch am grünen Rausch Dritte mit: Fluggesellschaften, die ausgebuchte Maschinen nach Denver fliegen. Tourunternehmen, die Touristinnen von einer Cannabisverkaufsstelle zur nächsten kutschieren und ihnen unterwegs das Kiffen erlauben. Manchmal sitzen in den Limousinen auch Wall-Street-Investoren, die Anlagemöglichkeiten suchen. Immobilienmakler, die Objekte mit Cannabispflanzräumen vermitteln. Mitarbeiter der Sicherheitsindustrie, die die Verkaufsstellen ausstattet, oder von Chemielaboren, die neue Testmethoden für Cannabisprodukte entwickeln. Für alle ist Colorado nur der Anfang. Je mehr US-Staaten in den Cannabisverkauf einsteigen, desto größer ihre Gewinnchancen.

Ihre Familie sei mittlerweile stolz auf ihren geschäftlichen Erfolg, sagt Toni Fox. Sie hätte ihrem Bruder nach dessen Haftentlassung gern einen Job angeboten. Aber sie darf weder ihn noch ihren Mann beschäftigen. Beide haben Drogenvorstrafen, der Mann, weil er vor drei Jahrzehnten mit Kokain erwischt wurde. Beide würden den Backgroundcheck der Marihuanabehörde nicht bestehen. „Einen Killer dürfte ich anstellen“, sagt Toni Fox, „aber keinen Dealer.“

Das Gesetz schafft strenge Regeln für die Cannabisindustrie. Nach beinahe acht Jahrzehnten Cannabisverbot haben seine Befürworter in Colorado etwas geschafft, woran vor ihnen alle Initiativen in den USA gescheitert waren. Bis zu den nächsten Präsidentschaftswahlen im Jahr 2016 werden von Alaska bis Florida weitere Referenden vorbereitet. Mit dem gut organisierten Colorado als Vorbild.

Fox würde die Legalisierung gerne beschleunigen. Sie kann sich gut vorstellen, Barack Obama durch ihre Cannabiszucht zu führen, um ihm zu zeigen, wie sie das verlassene Gewerbegebiet im Norden von Denver wiederbelebt. Obama ist ihr Präsident. Sie hat zweimal für ihn Wahlkampf gemacht. Um ihn zu überzeugen, Cannabis in den gesamten USA zu legalisieren, würde sie ihn auffordern, ihre Pflanzen zu berühren, sie zu riechen, sich an seine Jugend zu erinnern. Sie würde ihm sagen: „Du hast es doch auch probiert.“

Im Januar hat der Präsident weltweit für Schlagzeilen gesorgt, als er sagte, dass Cannabis nicht gefährlicher sei als Alkohol. Aber Fox hat nicht den Eindruck, dass er die Bundesgesetze ändern wird. Anders als bei der Aufhebung der Alkoholprohibition 1933 wird die Cannabislegalisierung höchstens Bundesstaat für Bundesstaat kommen. Die Stimmung dafür reift, auch aus finanziellen Gründen. An der Universität Harvard hat der Ökonom Jeffrey Miron schon 2010 vorgerechnet, dass Marihuanasteuern in den USA mehr als sechs Milliarden Dollar pro Jahr bringen könnten. Dazu kämen die Einsparungen in der Strafverfolgung.

In Colorado haben Fox und ihre Kollegen im Cannabisreferendum im November 2012 nicht zuletzt dank des Steuerarguments 55 Prozent Zustimmung geschafft. In ihrem Gesetz legten sie fest, dass die ersten 40 Millionen aus der Cannabissteuer für den Neubau von Schulen verwendet werden. Die Legalisierung ließen sie in die Verfassung von Colorado schreiben. So kann die Regierung in Washington nur schwer etwas dagegen tun.

Fox glaubt, dass auch die starke liberale Strömung in Colorado geholfen hat. Zwar sind längst nicht alle Liberalen auch Kiffer – aber alle wollen den Staat kleinhalten. Er soll sich nicht einmischen, wenn Bürger etwas kaufen. Egal ob Drogen oder Waffen. Wenn Türsteher Kurt Britz im 3-D die Vorzüge von Colorado aufzählt, klingt das so: „Legales Cannabis, 300 Sonnentage, der Blick auf die Rocky Mountains und das Recht, Waffen zu tragen.“

Security, Hunde. Alles ist gesichert wie eine Festung

Seit dem Jahr 2000, als Colorado als einer der ersten Bundesstaaten der USA den Verkauf von medizinischem Marihuana auf ärztliche Empfehlung legalisiert hat, dürfen Cannabisunternehmer in Colorado gewinnorientiert arbeiten. Die Verkaufsstellen für das medizinische Marihuana in anderen Bundesstaaten müssen als „wohltätige Vereine“ fungieren. Die Sonderstellung hat Investoren aus dem ganzen Land nach Colorado gelockt. Sie haben einen Verband gegründet, Lobbyisten angeheuert. Und sie arbeiten mit Anwälten zusammen, auf deren Visitenkarten „Marihuanarecht“ steht. Die Juristen beraten Unternehmerinnen wie Fox oder helfen Touristen, wenn die beim Kiffen auf offener Straße erwischt, verhaftet und zu Geldstrafen bis zu 1.000 Dollar verurteilt werden. Öffentlich konsumieren bleibt verboten.

Der 3-D-Laden ist innen und außen gesichert wie eine Festung. So sieht es das Gesetz vor. Kugelsichere Fenster, Kameras, Bewegungsmelder, Notrufknöpfe. Drei Sicherheitsleute, zwei Hunde. Als ein Beschäftigter versehentlich auf den Notrufknopf drückt, steht die Polizei in drei Minuten mit mehreren Mannschaftswagen vor der Tür.

Eine Welle der Gewalt hatten die Legalisierungsgegner kommen sehen. Stattdessen zeigt die Polizeistatistik für Denver jetzt sogar weniger Kriminalität für die ersten zwei Monate des Jahres. „Es wäre dumm, bei uns einbrechen zu wollen“, sagt die Geschäftsfrau Fox. „Das einzige Risiko“, sagt sie, „ist die große Menge Bargeld, mit der wir hantieren müssen.“

Weil Banken dem Bundesgesetz unterliegen, dürfen sie keine Geschäfte mit Drogen machen. Andernfalls könnten sie wegen Geldwäsche verfolgt werden. Alle Cannabisgeschäfte in Colorado laufen daher in bar. Bei 3-D stehen Geldautomaten. Und wenn die Geschäftsfrau Fox – zusätzlich zu den mindestens 70 Prozent Cannabis, die jede Verkaufsstelle laut Gesetz selber anbauen muss – Cannabis auf dem legalen Markt von Colorado kaufen will, muss sie bündelweise Bargeld auf den Tisch legen. Für 2,7 Kilogramm hat sie gerade 24.000 Dollar gezahlt. Ein Kurierfahrer hat das Cannabis geliefert.

Die strengen Auflagen im Gesetz erschweren den Einstieg. Fox konnte ihr altes Geschäftskonto bei einer kleinen Bank in Colorado behalten. Andere Cannabisgeschäftsleute müssen ihr Geld bar aufbewahren, weil keine Bank mit ihnen zusammenarbeiten will. Ihre Startfinanzierung hat Fox sich bei Freunden und Verwandten geliehen. Die halbe Million Dollar wird sie wohl noch vor Ende dieses Jahres zurückzahlen. „So war es nicht geplant“, sagt sie und lacht. „Aber ich werde jetzt reich.“

Andere Cannabisgeschäftsleute haben Fox aufgefordert, ihre Interessen als Lobbyistin zu vertreten, Politik für die Cannabisindustrie zu machen. Es geht auch um die Möglichkeit, Ausgaben steuerlich abschreiben zu dürfen. Als junge Frau hat Fox ein Praktikum bei einem republikanischen Senator aus ihrer Heimat Minnesota gemacht, weil sie tatsächlich in die Politik wollte. Inzwischen haben sich ihre Pläne geändert. Spätestens in drei Jahren will sie aussteigen und sich nur noch um ihren kleinen Sohn kümmern. Ihr Geld will sie auch investieren, damit andere dafür sorgen, dass die Legalisierung weitergeht.

Von ihrem Dorf Salida im Südwesten von Colorado, wo ihr Mann und der kleine Sohn leben, braucht Toni Fox mit dem Auto knapp drei Stunden nach Denver. Meist fährt sie zwei-, dreimal die Woche. Sie führt Besucher herum, macht Abrechnungen und postet auf Facebook oder Twitter über ihr Geschäft. Die Arbeit im Verkauf und in der Gärtnerei erledigen andere, auch ihre erwachsene Tochter Chayenne.

Die Jobs in der neuen Industrie ziehen junge Leute aus den ganzen USA an, die in den Pausen oft zum Kiffen in ihren Autos auf dem Parkplatz verschwinden. Nicole Martinez ist 33, hat als Altenpflegerin gearbeitet und schneidet jetzt bei 3-D welke Blätter. Erntet. Trocknet. Und verkauft. „Hier habe ich die besseren Aufstiegschancen“, sagt sie. Ihr Kollege Kevin Horton, 23, hat seinen Job als Tischler in New York aufgegeben. Als er bei der Behörde in Denver für 75 Dollar eine Berechtigungskarte für die Arbeit in der Cannabisbranche beantragt, ist er einer von 45 Antragstellern an einem Tag. Die Cannabisläden zahlen wenig mehr als den Mindestlohn von acht Dollar. Bei Fox gibt es zwischen elf und 50 Dollar die Stunde. Horton putzt, gärtnert, verkauft. „Eine großartige Energie hier“, sagt er.

„Ein Kitzeln im Nacken“ oder „totale Entspannung“

Im Verkaufsraum lagert das Gras auf dem Tresen in Gläsern, auf deren Etiketten „Ocean Grow“ und „Prez Kush“ steht. Vincent Majikas erklärt die Cannabissorten und was sie auslösen. Ein „Kitzeln im Nacken“. Oder „totale Entspannung“. Er nennt sich bud tender, von bud wie Knospe und tender wie Versorger. Zu dem Glas mit der Aufschrift „Lemon Skunk“, aus dem intensiver Käsegeruch aufsteigt, sagt er: „Ein sehr alter Stamm. Wird schon seit 1991 angebaut.“ Langfristig will Majikas einen Shop in Florida aufmachen. Einen Partner und Geldgeber hat er schon. Er wartet nur auf die Legalisierung.

Die Preise steigen und steigen. Gras kostet im April in Colorado doppelt so viel wie im Januar. Joints gibt es für zehn Dollar plus Steuern, eine 45-Gramm-Tafel Schokolade für zwölf Dollar. In Anzeigen im Stadtmagazin werben dispensarys mit Namen wie River Rock, Red Eye oder Medicine Man mit Discountangeboten um Kunden. In der Schlange von 3-D sagt ein Bauunternehmer, auf dem Schwarzmarkt zu Hause bekomme er sein Gras für weniger als die Hälfte. Er ist acht Stunden aus Nebraska hergefahren, um einmal legal Cannabis zu kaufen.

Wie jedes Jahr laden Aktivisten am 20. April, dem selbst geschaffenen Nationalfeiertag der Kiffer, in zahlreichen Städten wieder zum festlichen Rauchen ein, in Denver direkt neben dem vergoldeten Capitol. Tausende wollen kommen – obwohl das öffentliche Kiffen in Colorado weiterhin verboten ist.

Toni Fox erwartet an diesem Wochenende noch mehr Kunden als sonst. Sie wird ihre Öffnungszeiten ausdehnen. Aber mit subversiven Kiffertreffen will die Geschäftsfrau so wenig zu tun haben wie die Kifferaktivisten mit Fox’ Kommerzialisierung. „Ich wünschte, jemand anderes würde das Event übernehmen“, sagt sie, „jemand, der die Industrie besser repräsentiert.“

Dorothea Hahn ist USA-Korrespondentin der taz. Die Tafel Trüffelschokolade mit 25 Milligramm THC aus dem 3-D-Laden aß sie aus Ungeduld ganz auf. Weitere Termine dieses Tages musste sie schriftlich absagen. Reden fiel ihr zu schwer