: Grün ist die Hoffnung
Platzt das rot-rote Bündnis durch den höheren Spardruck? Die Grünen geben sich offiziell gelassen. Finanzsenator Sarrazin ist ihr heimlicher Verbündeter: Je stärker er sich durchsetzt, desto schwerer wird es für die Linkspartei
Ist Finanzsenator Thilo Sarrazin ein heimlicher Grüner? Den Verdacht würde jeder in der Ökopartei abstreiten. Dennoch könnte der SPD-Politiker ihr einen ungeahnten Dienst erweisen – indem er den Grünen den Weg in die Regierung ebnet. Denn Sarrazin („Ich sehe das Urteil sportlich!“) will in den Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Linkspartei Zahlen vorlegen, mit denen er den Haushalt auf einen Überschuss von 1,5 Milliarden Euro vor Zinsen trimmen will.
Ein paar Nadelstiche Sarrazins könnten reichen, um den rot-roten Luftballon platzen zu lassen. Die Linkspartei kann weitere Kürzungen vor ihrer Basis kaum rechtfertigen. Und dann kämen die Grünen zum Zuge. In deren Fraktion gibt man sich angesichts der Bündnisverhandlungen unter ganz neuen Vorzeichen gelassen. „Wir sitzen nicht vor dem Saal und warten. Die SPD hat sich die Linkspartei ausgesucht, jetzt muss sie mit der Entscheidung klarkommen“, sagte gestern Fraktionschef Volker Ratzmann. Die Partei bereite sich auf die Opposition vor. „Für alles andere müsste die SPD inhaltlich sehr stark auf uns zukommen.“
Klar ist aber auch: Wenn die SPD fragt, würden die Grünen das Angebot prüfen – und, wenn die Sozialdemokraten genug Zugeständnisse machen, wohl zustimmen. Auch wenn sie sich in den Sondierungen vorgeführt fühlten. „Politiker sind ja erwachsene Menschen, bei denen letztlich nicht das Bauchgefühl, sondern das Verantwortungsbewusstsein entscheidet“, sagte der haushaltspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Jochen Esser.
Zumindest die Zahlen Sarrazins kann er nachvollziehen. „Wir brauchen ein Sanierungsprogramm, das den festen Willen ausdrückt, dem Gerichtsurteil gerecht zu werden“, so Esser. Das Sarrazin’sche Ziel eines Überschusses von 1,5 Milliarden Euro – vor Zinszahlungen – hält er für realistisch. Die Wege dorthin unterscheiden unterscheiden sich allerdings deutlich.
Der Finanzsenator deutete gestern an, Berlin könne auch mit weniger Lehrerstellen, weniger Polizei und niedrigeren Uni-Zuschüssen leben. „Die Bildung bleibt für uns tabu“, bekräftigte dagegen Esser. Er schlägt eine höhere Gewerbesteuer und eine Arbeitszeitverkürzung der Beamten ohne Lohnausgleich vor. Das schlichte „Weiter so“, das SPD und Linkspartei kurz nach dem Urteil als Parole ausgaben, hält der Grüne für nicht haltbar. „Falls Wowereit das Urteil ignoriert, drückt er aus: Ob der Haushalt verfassungsgemäß ist oder nicht, ist mir egal“, sagt Esser. „Diese Logik ist gefährlich.“
Ob sie sich Hoffnungen machen dürfen, wird sich für die Grünen ziemlich schnell entscheiden. Der Finanzsenator will seine Streichvorschläge den Verhandlern schon am Montag vorlegen. Mancher Grüne dürfte ihm die Daumen drücken.
ULRICH SCHULTE