: Kein Bock auf Revolution
Nach der Niederlage der Hauptstadt vor dem Verfassungsgericht in Karlsruhe rief die Berliner Linkspartei zu einer Koalition der armen Bundesländer gegen die reichen Südländer auf. Doch bisher macht niemand mit. Regierungen im Osten sparen lieber
VON DANIEL SCHULZ
Die armen Bundesländer wollen nicht gegen die Reichen revoltieren. Die Pläne der Berliner Linkspartei, eine Koalition der armen Nehmerländer gegen die reichen Geberländer zu bilden und mehr Geld zu fordern, stoßen auf „wenig Gegenliebe“, sagte gestern die Regierungssprecherin von Mecklenburg-Vorpommern. Auch andere Länder lehnen einen Aufstand der Armen ab.
Nachdem die Verfassungsrichter in Karlsruhe Berlins Ansinnen auf Finanzhilfe am Donnerstag abgelehnt hatten, forderte der haushaltspolitische Sprecher der Berliner Linksfraktion, Carl Wechselberg, in der taz „eine eigene Koalition“ der armen Bundesländer gegen das „Bündnis der reichen Südländer“. Diese Unterschichtsallianz solle den wohlhabendsten fünf Ländern wie Bayern und Baden-Württemberg mehr Zugeständnisse beim Länderfinanzausgleich abringen. Zudem müsse die Unternehmenssteuerreform gekippt werden, weil sie Firmen entlaste, aber die Länder Geld koste.
Was in der Theorie eindrucksvoll klingt, wird sich in der Praxis kaum umsetzen lassen. Nicht nur aus Mecklenburg-Vorpommern, auch aus Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen kam Ablehnung: „Das ist völlig inkompatibel mit dem, was wir wollen“, lässt die gemeinsam mit der sächsischen Mini-SPD regierende CDU verlauten. Ministerpräsident Georg Milbradt forderte Berlins Senat in der Sächsischen Zeitung zu mehr Sparsamkeit auf: „Die Berliner sind stark, Berlin kann es schaffen.“ Der Generalsekretär der allein regierenden Thüringer CDU, Mike Mohring, hält von Wechselbergs Vorschlag ebenfalls „nicht wirklich viel“. Auch die anderen unionsgeführten Länder sehen im Sparen den besten Weg, ihre Finanzprobleme in den Griff zu kriegen. Die große Koalition in Sachsen-Anhalt hält nichts von einer Revolte gegen die reichen Länder. Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) betonte zuletzt immer wieder, sein Land wolle der Armut durch Sparsamkeit entkommen. Seine Sprecherin sagte gestern: „Ich glaube kaum, dass unser Land bei dieser kuriosen Revolte mitmacht.“
„Die Nehmerländer wären mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn sie das versuchen würden“, sagte Antje Hermenau, Chefin der grünen Landtagsfraktion in Sachsen. Die Finanzfachfrau verhandelte für die Bundesgrünen 2001 den Länderfinanzausgleich mit. Daher weiß sie: „Wenn die armen Länder den Aufstand proben, ist das gesamte Vertragswerk in Gefahr.“ Die Geberländer würden dann den Finanzpakt aufkündigen und „keinen Cent“ mehr an die Armen abgeben. Besonders im Osten sind die Länder aber extrem abhängig von Finanzhilfen aus dem Westen, oft machen diese bis zu 50 Prozent der Landeshaushalte aus. Aus den ärmsten Westländern Bremen und Saarland waren gestern keine Statements zu bekommen. Beide wollen in Karlsruhe das durchsetzen, was Berlin nicht gelang: Finanzhilfen vom Bund.
Die Chefs der reichen Südländer freuten sich gestern weiter über die Berliner Niederlage und ermahnten die Armen zu mehr Sparsamkeit. „Das Netz bundesdeutscher Finanzsolidarität ist keine Hängematte“, ließ Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger wissen.