: „Problembewusstsein fehlt“
ARMUT Die Linke stellt ihren Bericht über die soziale Spaltung in der Stadt vor und lobt Schwarz-Grün
■ 69, der Soziologe war bis Ende 2011 u.a. haushalts, finanz, und sportpolitischer Sprecher der Linken in der Bürgerschaft.
taz: Herr Bischoff, folgt man dem Sozialbericht des Senats, hat Hamburg sein Armutsproblem im Griff. Oder wie Sozialsenator Detlef Scheele sagt: „Die Reichen werden immer reicher, die Armen aber nicht ärmer.“ Das ist doch fein, oder nicht?
Joachim Bischoff: Ich räume ein, dass man mit Blick auf die Krise nicht von einer dramatischen Zunahme der Armut reden kann. Aber wir können das Armutsproblem nicht vernachlässigen.
Wieso nicht?
Unter Ole von Beust und Schwarz-Grün war Hamburg immer daran interessiert, eine integrative Stadtteilentwicklung voranzubringen. Das ist unter der SPD-Mehrheit außer Kraft gesetzt worden und das Problem der sozialen Verdichtung von Armut und Armutsbevölkerung ist völlig aus dem Blickwinkel geraten. Das ist inakzeptabel.
Wo ist es am krassesten?
Insgesamt im Bezirk Mitte und innerhalb dessen etwa in Wilhelmsburg. Hier sagt ja der Senat, dass die Probleme mit dem Sprung über die Elbe bald von selbst verschwinden. Das stimmt einfach nicht. Nimmt man Faktoren wie mangelhafte Ärzteversorgung und fehlende Bildungsangebote hinzu, sieht man, dass die alte Kritik noch zutrifft: Bei der sozialräumlichen Verdichtung von Armutsbevölkerung kommen immer noch zusätzliche Benachteiligungen hinzu. Das gibt eine Abwärtsbewegung.
Und das hatte Schwarz-Grün besser im Griff?
Die haben erkannt, dass man diese Entwicklung nicht einfach so laufen lassen kann und haben zumindest versucht, die Ungleichheit mit ungleichem Mitteleinsatz zu bekämpfen. Diese Mittel runterzufahren und die Stadt sich selbst zu überlassen, ist überhaupt keine Alternative.
Was stört Sie am meisten?
Es ist empörend, dass die Sozialbehörde sagt, Altersarmut sei kein Problem. Hamburg ist die Stadt mit den meisten Zuwächsen in diesem Bereich. Damit muss umgegangen werden.
Singen Sie da auch ein hohes Lied auf die Vorgängerregierung?
Na ja, Ole von Beust hat das Programm der sozialen Stadtteilentwicklung durchgesetzt. Aber dafür muss man natürlich ein Problembewusstsein haben.
Und das vermissen Sie jetzt?
Es ist politisch inakzeptabel, wenn jemand von der Spitze der Sozialbehörde sagt, unser Problem ist eigentlich nur, dass die Leute in Blankenese noch reicher werden. INTERVIEW: ILK
Die Linke stellt die Studie „Soziale Spaltung in Hamburg“ vor, die u.a. von Joachim Bischoff erstellt wurde: 10.30 Uhr, Rathaus, Raum B