Konzerne schenkten trübes Wasser ein

WASSERVERTRÄGE Neue Dokumente belegen, mit welchen leeren Versprechungen RWE und Veolia im Jahr 1999 den Senat geködert haben

Die Wasserbetriebe konzentrierten sich nach dem Verkauf auf ihr Monopolgeschäft

Exakt 700 Seiten umfassen die Dokumente, die der Senat am Mittwoch veröffentlicht hat. Dabei handele es sich um die Wasserverträge „mit sämtlichen Anpassungen und Änderungen“, sagte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Die taz hatte vor anderthalb Wochen bereits jene Teile davon veröffentlicht, die ein Informant uns zugespielt hatte. Dabei handelte es sich um rund 200 Seiten – darin enthalten alle relevanten Kernverträge. Die zusätzlich vom Senat veröffentlichten Seiten bestehen hauptsächlich aus Vollmachten, Vorblättern und Anhängen, etwa einer langen Liste von allen Grundstücken im Besitz der Wasserbetriebe.

Doch auch wenn die neu veröffentlichten Dokumente zu keiner neuen Bewertung der Privatisierung führen: Sie zeigen, mit welchen Versprechungen es RWE und Veolia gelungen ist, an das lukrative Geschäft zu kommen. Das Konsortium aus dem deutschen und dem französischen Konzern war nämlich nicht der einzige Interessent, der 49,9 Prozent der Wasserbetriebe kaufen wollten: Sechs Bieter kamen in die engere Wahl. RWE und Veolia gaben mit ihren 3,3 Milliarden Mark nicht das höchste Gebot ab – doch die große Koalition unter Eberhard Diepgen (CDU) ließ sich von den Versprechungen beeindrucken. Das Angebot der beiden Konzerne biete den Kunden, den Beschäftigten, dem Unternehmen und dem Land „optimale Konditionen“, sagte die damalige SPD-Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing.

Welche Konditionen damit gemeint waren, zeigt etwa Anlage 4 zu Anlage 2.5 des Konsortialvertrages. RWE und Veolia schreiben dort: In einer Partnerschaft mit ihnen hätten die Wasserbetriebe „eine hervorragende Ausgangsposition, um die enormen Wachstumspotenziale des internationalen Marktes erfolgreich anzugehen“. Die internationalen Projekte könnten „von den großen vorhandenen Erfahrungen der Partner profitieren“. Dabei gebe es „im internationalen Markt der Wasserver- und Abwasserentsorgung enorme Wachstumspotenziale“.

Auch die Tochterunternehmen der Wasserbetriebe sollten durch die Privatisierung stärker wirtschaftlich tätig werden, expandieren und neue Arbeitsplätze schaffen. Die Telekommunikationstochter Berlikomm habe „gute Chancen, sich als zweitstärkster Anbieter nach der Deutschen Telekom im Berliner Markt zu entwickeln“, heißt es in einer Präsentation von RWE und Veolia. Bis zum Jahr 2008 solle sich die Zahl der Kunden von rund 20.000 auf rund 250.000 erhöhen, die Zahl der Mitarbeiter von 199 auf 743 steigen.

Doch nach dem Verkauf an das Konsortium kam das böse Erwachen: RWE und Veolia nutzten eine Lücke im Vertrag. Denn dort war nicht festgeschrieben, dass ihre Zusagen auch verbindlich sind. Anders als bei anderen Versprechen war auch keine Strafe für Vertragsbruch vorgesehen.

Und so wurden die Wasserbetriebe nach der Privatisierung nicht wie versprochen etwa wettbewerbsfähig gemacht, um auf neue Märkte zu expandieren. Tatsächlich passierte das genaue Gegenteil: Das Unternehmen konzentrierte sich auf sein Monopolgeschäft und zog sich weitgehend von den Geschäftsfeldern zurück, in denen es in Konkurrenz mit anderen Firmen stand. Die Wasserbetriebe verkauften Tochtergesellschaften wie die Berlikomm und bauten Stellen ab, anstatt neue zu schaffen. SEBASTIAN HEISER