: Vor der Selbstaufgabe
Die Sender und ihre Jury scheuen Konflikte und den Blick in Randbereiche des Programms. So langweilig-mutlos ging es noch nie zu
Für die Gala zum deutschen Fernsehpreis 2006 verantwortlich zeichnete die Firma eines gewissen Werner Kimmig aus dem beschaulichen Oberkirch im Badischen. Kimmig hat schon so ziemlich jede große TV-Show inszeniert, seine Spezialität neben den inzestuösen Preisverleihungen der Film- und Fernsehbranche ist die Volksmusik.
Dies und die Tatsache, dass der Fernsehpreis 2006 vom Westdeutschen Rundfunk ausgerichtet wurde, mögen lahme Veranstaltung inklusive WDR-Bigband und Fernsehballett begünstigt haben. Für die Preisentscheidungen gilt das aber nicht. Doch sie sind das eigentlich Erschreckende des Abends.
Denn auch wenn das Fernsehjahr eines der schwächeren war: So langweilig-mutlos ging es noch nie zu. Dabei hätte gerade wegen der Abwesenheit herausragender Großtaten die Chance bestanden, einmal den Fokus auf die weniger beachteten Programmbereiche zu richten. Doch das schienen sich weder die Sender, die beim Deutschen Fernsehpreis absurderweise vorrangig selbst für die Nominierungen zuständig sind, noch die Jury zumuten zu wollen, die ebenfalls Kandidaten vorschlagen kann.
Aber was steckt hinter Nominierungen wie der von Kay-Sölve Richter, der „heute“-Sprecherin des ZDF, in der Kategorie „Beste Moderation/Information“? Genügt es – bei allem Respekt – also schon, ganz hübsch die Nachrichten zu verlesen und vorher abgesprochene Kurzinterviews mit den eigenen Korrespondenten zu bestreiten?
Oder obsiegen hier Proporz-Gedanken – schließlich ging die Auszeichnung am Ende an „Tagesthemen“-Frontfrau Anne Will. Ihr ZDF-Pendant Claus Kleber wurde derweil für die „Beste Informationssendung“ (ohne Moderation?) ausgezeichnet.
Dem allgemeinen Grundgefühl, das Fernsehen biete, von wenigen Ausnahmen abgesehen, allseits dünne laue Suppe, lässt sich so kaum begegnen. Aber das wollen die Sender anscheinend auch gar nicht. Ihnen liegt offenbar vor allem am Herzen, alles unter dem Teppich zu halten, was noch zu einem Funken Aufregung – und damit auch immer Konfliktpotenzial – taugt.
Da gibt es beispielsweise beim NDR ein Medienmagazin namens „Zapp“. Bei den jüngsten ARD-Skandalen hat es kein Blatt vor den Mund genommen und höchst kritisch über den eigenen Laden berichtet. Es gilt daher vielen – vor allem außerhalb des NDR – als Netzbeschmutzer. Aber so etwas bekommt hierzulande ja traditionell keinen Preis.
STEFFEN GRIMBERG