: Kleinster gemeinsamer Nenner: Marx
Der Mensch darf kein geknechtetes Wesen sein. Diese Marx’sche Weisheit hilft PDS und WASG, ihre Differenzen zu überspielen. Parteien sollen Gründungsdokumente des „demokratischen Sozialismus“ studieren. Vereinigungsparteitag im Juni 2007
AUS ERFURT MICHAEL BARTSCH
„Hier errichten notorische Weltverbesserer Die Neue Linke.“ Mit einem Baustellen-Plakat symbolisierten Linkspartei.PDS und Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit WASG gestern ihre Vereinigungsabsicht. Die Parteivorstände beider Parteien wollten so im Erfurter Rathaus die Zwistigkeiten halbwegs elegant überspielen, die sich bei der Beratung der Gründungsdokumente ergaben. Die Partei, die offiziell „Die Linke.“ heißen soll, macht das, was die Linke auch ohne Punkt hinter dem Namenszug so oft getan hat – sich kabbeln.
Die Probleme der unterschiedlichen Herkunft beider Parteien bleiben auch nach der ersten gemeinsamen Erfurter Tagung offenkundig. „Hier vereinigen sich eine Volkspartei und eine Bewegung, die gerade erst entsteht“, erklärte WASG-Chef Klaus Ernst. Das spiegelte sich in der Debatte über Satzungsfragen wider, die kontrovers verlief. Mit Blick auf die männerdominierte WASG wurden Ausnahmeregelungen für die angestrebte Frauenquote von 50 Prozent in den Parteigremien aufgenommen. Auch bei der Frage einer Trennung von Amt und Mandat musste ein Kompromiss her. Mandatsträger dürfen nicht die Mehrheit, sondern maximal 49 Prozent der Stimmen stellen.
Einigkeit bestand darüber, dass die bisherigen Mitglieder nicht als Einzelmitglieder der neuen Partei beitreten müssen. Ohne Probleme wurde auch eine Finanzordnung verabschiedet, nach der Mitglieder die Höhe ihres Parteibeitrages letztlich selbst bestimmen. Mit nur einer Änderung wurden in Erfurt die „Programmatischen Eckpunkte auf dem Weg zu einer neuen Linkspartei in Deutschland“ verabschiedet, die eine gemeinsame Programmgruppe vorgelegt hatte. Ein Parteiprogramm soll erst im Jahr 2008 formuliert werden. Bis dahin soll ein Eckwertepapier Vereinigungsstress vermeiden helfen. Es formuliert hübsch abstrakt den „Demokratischen Sozialismus“ als gesellschaftliche Alternative und greift dabei auf ein Marx-Zitat von zeitloser Schönheit zurück. Danach ist die Überwindung aller Eigentums- und Herrschaftsverhältnisse notwendig, „in denen der Mensch ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“.
Die salbungsvoll Gründungsdokumente genannten Papiere werden nun der Parteibasis zur Diskussion übergeben. Im März 2007 sollen zunächst getrennte Parteitage über ihre Endfassung beschließen. Anschließend sind die Mitglieder zu einer Urabstimmung aufgerufen. Auf dieser Basis sind der 15. und 16. Juni des kommenden Jahres als Vereinigungsparteitag vorgesehen.
Die Parteiführer bekamen sich gestern gar nicht mehr ein, die neue Linke zu besingen. „Das ist das erste Projekt der deutschen Einheit, das sich auf gleicher Augenhöhe abspielt“, sagte Linksparteichef Lothar Bisky mit Blick auf die unterschiedlichen Mitgliederstärken in Ost und West. Derzeit stehen 60.000 Linkspartei-Mitgliedern nur 12.000 WASG-Mitglieder bundesweit gegenüber. Um gegenseitiges Dominieren qua Masse zu vermeiden, sollen für eine Übergangszeit WASG-Delegiertenstimmen bei Parteitagen ein höheres Gewicht erhalten. Bis 2016 soll dieser mathematische Trick Parteitagsfrieden bescheren, übersieht aber die Faktoren Trotz und Hinterfotzigkeit, welche der Berliner Nicht-Vereinigungslinkspartei schon viel Freude bereitet haben.