Feinstaub kriegt Verlängerung

NRW-Städte planen Fahrverbote: So sollen die hoffnungslos überzogenen Grenzwerte für Feinstaub zukünftig eingehalten werden. Die europäischen Umweltminister geben drei Jahre Zeit

Das Fahrverbot ist ein „sehr heißes Thema“ – die Autolobby protestiert

von ANNIKA JOERES

Saubere Luft hat Zeit: Die Europäische Kommission gesteht den Städten in NRW drei weitere Jahre zu, die Grenzwerte für Feinstäube einzuhalten. Die Umweltminister entschieden gestern in Luxemburg, dass sie die eigentlich schon seit 1. Januar 2005 geltenden Grenzwerte für die kleinen Partikel nun erst 2008 einhalten müssen. Feinstaub konzentriert sich an stark befahrenen Straßen und an Industrieanlagen, zum Beispiel im Krefelder Hafen oder an der Corneliusstraße in Düsseldorf.

Die europaweite Lockerung gibt den Städten in NRW eine unerwartete Absolution: Nach geltendem Recht haben schon jetzt elf von ihnen die zulässigen Grenzwerte von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter an mehr als 35 Tagen überschritten. Spitzenreiter ist Dortmund: An der Brackeler Straße fanden sich in diesem Jahr an 75 Tagen zu viele der schädlichen Partikel in der Luft. Wie in vielen anderen Städten NRWs haben die Aktionspläne der Kommune nichts gebracht: Sie sahen Straßenduschen und Fahrverbote an bestimmten Tagen für Schwerlaster vor. „Unsere bisherigen Maßnahmen waren nicht erfolgreich“, sagt Stadtsprecher Werner Skupsch. Er geht davon aus, dass die belasteten Straßen bald für Dieselfahrzeuge und „alte Möhrchen“ gesperrt sein werden. Aber auch hier soll es Ausnahmen geben: Für Quell- und Zielverkehr, also für Warenanlieferungen zum Beispiel, soll das Verbot nicht gelten.

Auch in anderen Städten wird ein PKW-Fahrverbot diskutiert. Allerdings bringt der Plan viele Gegner auf: Als der Regionalverband Ruhr (RVR), verantwortlich für einen runden Tisch der Städte im Ruhrgebiet, vergangene Woche diese Verbote öffentlich ins Spiel brachte, hagelte es Proteste von Spediteuren und Autolobbyisten. „Das ist ein sehr heißes Thema“, heißt es aus dem RVR. Bis Anfang November will sich dort niemand mehr zu den Plänen äußern: Erst dann wird die Machbarkeitsstudie zum Plan „Saubere Luft im Ruhrgebiet“ vorgestellt. Sicher ist nur, dass die Fahrverbote für besonders schadstoffreiche Autos ein Teil des Aktionsplans sein werden.

Möglich werden diese Verbote allerdings erst im Januar 2007: Dann müssen deutschlandweit alle Autos eine Umweltplakette an die Windschutzscheibe heften. Sie teilt die Fahrzeuge in vier Umweltklassen ein. Zwar bleibt den Autofahrern überlassen, ob man sie beantragt. Sie tragen dann aber das Risiko, ohne Plakette bei einem Fahrverbot nicht fahren zu dürfen.

Für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Bonn ist das Fahrverbot unverzichtbar. „Das ist die einzige Möglichkeit der Städte, die Grenzwerte jemals einzuhalten“, sagt Sprecher Ralf Südhoff. Es gebe in NRW eine Tendenz, die Tagesgrenzwerte einfach zu ignorieren. „Dabei sind Feinstäube lebensbedrohlich.“ Auch kurzfristige Belastungen führten zu Atemwegserkrankungen und Herz-Kreislaufproblemen. Erst kürzlich hat eine Studie aus NRW bewiesen: Frauen, die in Regionen mit hohen Feinstaubwerten wohnen, erleiden häufiger einen Herzinfarkt als der Durchschnitt.

Befürchten müssen die Städte bisher allerdings wenig. Die Europäische Komission hat die möglichen Strafzahlungen bisher nicht eingefordert. Haften würde in solch einem „Vertragsverletzungsverfahren“ der Bund. „Wir würden uns die Strafe zurück holen“, sagt Thomas Hagbeck, Sprecher des Bundesumweltministeriums in Berlin. Er glaubt aber, dass es dazu nicht kommen werde. Hagbeck plädiert zwar ebenfalls für Fahrverbote an sensiblen Punkten. Die Städte sollten aber auch den ÖPNV ausbauen und das Leben für Radfahrer erleichtern. „Wir sollten besser über Alternativen reden.“