: Dicke Luft in Europa
EU-Umweltminister wollen Städten mehr Zeit beim Kampf gegen Feinstaub geben, aber strengere Grenzen setzen
BRÜSSEL taz ■ Den alarmierenden Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) über Gesundheitsschäden durch Feinstaub (taz berichtete) haben auch die europäischen Umweltminister gelesen. In ihrer Debatte zum Thema Luftreinhaltung gestern in Luxemburg erinnerten viele Redner daran, dass die durchschnittliche Lebenserwartung jedes Mitteleuropäers durch feinste Staubpartikel in der Luft um 8 Monate sinkt.
Doch während Schweden oder Frankreich deshalb auf strenge Grenzwerte und kurze Übergangsfristen drängen, fühlen sich Länder wie Polen, die noch immer viel Energie aus Kohle herstellen, überfordert. Die finnische Ratspräsidentschaft hat deshalb einen Kompromiss zur geplanten Neufassung der Feinstaubrichtlinie vorgeschlagen. Für Kleinstpartikel von 2,5 Mikrogramm soll es ab 2010 einen unverbindlichen Zielwert geben, der 2015 durch einen verbindlichen Grenzwert ersetzt wird. In der derzeit geltenden Feinstaubrichtlinie sind Kleinstpartikel überhaupt nicht erfasst.
Der Wert für Partikel unter 10 Mikrogramm soll beibehalten werden. Allerdings erhalten Mitgliedsstaaten eine Frist von bis zu drei Jahren. Außerdem wird eine Flexibilitätsklausel eingeführt. Danach sollen Länder, die nachweisen können, dass sie alle „vernünftigen Maßnahmen“ ergriffen haben, eine „begrenzte Ausnahmegenehmigung“ erhalten, wenn sie den Grenzwert in besonders belasteten Regionen nicht einhalten können. Diese Regionen müssen darlegen, wie sie Abhilfe schaffen wollen.
Umweltkommissar Stavros Dimas warnte gestern: „Die Flexibilitätsklausel darf nicht dazu führen, dass das Schutzniveau sinkt oder Maßnahmen zur Luftreinhaltung aufgeschoben werden.“ Dagegen sagte der polnische Umweltminister: „Schauen Sie sich die Landkarte an!“ Nur Länder, die schon jetzt kein Problem mit den Partikeln hätten, forderten strengere Grenzwerte – für die gesamte EU. „Wir wollen, dass Länder, deren Möglichkeiten nicht ausreichen, von den Grenzwerten für 2,5-Mikrometer-Partikel freigestellt werden.“
Auch Dutzende deutscher Städte schafften es in diesem Jahr nicht, die derzeit geltenden Obergrenzen einzuhalten. Sie müssen, wenn sie die Feinstaubbelastung nicht senken, mit Strafgeldern aus Brüssel rechnen. Deshalb kommentierte ein deutscher Diplomat den Luxemburger Kompromiss mit dem Hinweis: „Es nützt nichts, superscharfe Grenzwerte in ein Gesetz zu schreiben. Dann kann man das Vertragsverletzungsverfahren gleich mit einplanen.“ Das EU-Parlament hatte sich in erster Lesung für noch mehr Flexibilität ausgesprochen. Es muss nun auf den Ratskompromiss reagieren. DANIELA WEINGÄRTNER