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Archiv-Artikel

Wie im Lotto

„Extrem positive Zwischenbilanz“: Die Auflagen- und Leserzahlen der neuen Tageszeitung „Österreich“ begeistern – nur, stimmen sie auch?

Von Martin Langeder

„Der beste Zeitungsstart seit 50 Jahren“, lässt Wolfgang Fellner derzeit in doppelseitigen Anzeigen trommeln. Gut 50 Ausgaben nach dem Launch von Österreich präsentierte der 52-jährige Verleger erste Zahlen zu Lesern, Auflage und Reichweite, die er sich von den Umfrageinstituten Gallup und Market erheben ließ.

Demnach kommt Österreichs jüngste Tageszeitung auf einen Marktanteil von 16,5 Prozent und 1,129 Millionen Leser. Zur Auflage präsentierte Fellner Zahlen aus der ersten Oktoberwoche: Im Schnitt verkaufte man Montag bis Samstag von den 332.260 verbreiteten Exemplaren 169.132 Stück – die andere Hälfte wurde in einer abgespeckten Marketingausgabe kostenlos verteilt. Anfang Oktober zählte man 84.343 Abonnenten. Halten diese Zahlen der Überprüfung durch die Österreichische Auflagenkontrolle – dem Pendant zur deutschen IVW – stand, bedeutet das Platz vier hinter der allmächtigen Kronenzeitung, der Kleinen Zeitung und dem Kurier. „Eine extrem positive Zwischenbilanz – das hat Jackpot-Dimension“, jubelte Fellner.

Branchenkenner in Österreich hegen indes Zweifel – zumindest was die Leser- und Reichweitenzahlen angeht. „Die Lottozahlen sind leichter zu erraten als die Zahlen von Österreich“, sagt Johann Oberauer, Herausgeber des Fachmagazins Der Österreichische Journalist. „Mitunter widersprechen sich Fellner & Co. innerhalb von Tagen, der eine sagt 350.000 Exemplare Auflage, der andere 450.000 Exemplare Auflage. Fellner verwirrt derzeit mehr, als er aufklärt.“

Harald Fidler, Medienredakteur der Wiener Qualitätszeitung Der Standard, verweist auf das Jahr 1998. „Damals präsentierte Fellner beim Start seines Privatradiosenders Antenne Wien selbst erhobene Zahlen, die sich im Nachhinein bei unabhängiger Zählung als viel zu hoch gegriffen herausgestellt haben.“

Damit es diesmal nicht wieder so weit kommt, wird in bekannter Fellner-Manier ein wahres Marketingfeuerwerk abgebrannt: Das Testabo kostet 9,90 Euro pro Monat. Als Zugabe gibt es die Autobahnvignette extrem vergünstigt dazu, vor dem Launch wurde bereits ein Einfamilienhaus verlost. Zusätzlich wurden per Postwurf Gutscheine verteilt – damit ist die Zeitung statt für 50 Cent für nur 20 Cent zu haben. Auch die abgespeckte kostenlose Marketingausgabe werde „bis auf weiteres“ verteilt, sagte Österreich-Geschäftsführer Gert Edlinger zur taz. In rauen Mengen versteht sich.

Die von Fellner lancierten Zahlen werden auch von deutschen Medienmachern verfolgt. Schließlich gilt der Tageszeitungsmarkt alles andere als zukunftsträchtig – an andere Neugründungen als Gratiszeitungen ist kaum zu denken. Die Süddeutsche schrieb von einem „guten Start für Österreich“, auch die Financial Times Deutschland berichtete ausführlich. Eines hat die Zeitung für eine „neue Mediengeneration“ (Fellner) zumindest geschafft: Sie sorgte für einen kräftigen Innovationsschub in der bis dahin recht verschlafenen österreichischen Tageszeitungslandschaft. Der Kurier überarbeitete sein Layout, zwei andere Medienhäuser schmissen Gratiszeitungen auf den Markt.

Und noch eines ist neu für Österreich: Nach dem Vorbild von bildblog.de dokumentieren zwei Blogger mit den Tarnnamen Otto Fishbine und Hildebrand Johnson kleinere und größere Verfehlungen der Österreich-Journalisten. Unter oesterreichblog.twoday.net weisen sie etwa darauf hin, dass ein 20-Jähriger „mit femininem Körper und […] Busen“ kein Zwitter ist, wie von der Redaktion behauptet.