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Archiv-Artikel

Krieg gegen Anwohner

POLIZEI Sie soll für Frieden sorgen, wird aber allgemein als Feind wahrgenommen. Grund: Korruption und Gewaltexzesse der Polizei

RIO DE JANEIRO taz | Seit über fünf Jahren versucht die Regierung von Rio de Janeiro, die Armenviertel zu befrieden. In fast 40 Favelas wurden seitdem Einheiten der Befriedungspolizei UPP stationiert. Eine Art bürgernahe Polizei, die im Vorfeld von WM und Olympia 2016 die Gewalt eindämmen soll. Im Wissen um die oft korrupten Polizisten bestehen die UPPs zumeist aus jungen Beamten aus anderen Stadtvierteln, die – so erhoffte sich Sicherheitssekretär José Beltrame – noch nicht mit dem Verbrechen unter einer Decke stecken.

Anfangs wurden die UPPs als großer Erfolg gefeiert. Die Dominanz der Drogenbosse, die in vielen Armenviertel seit Jahrzehnten vom Staat unbehelligt eine brutale Willkürherrschaft aufrecht erhalten, wurde gebrochen. Viele Bewohner freuten sich darüber, dass es kaum noch Schießereien gab und ein wenig Rechtsstaat entstand.

Spätestens seit Mitte vergangenen Jahres ist der Mythos UPP vorbei. In der größten Favela der Stadt, der Rocinha, wurden der UPP-Kommandeur und zahlreiche weitere Polizisten festgenommen, nachdem ein Untersuchungsbericht bestätigte, dass sie einen Bewohner zu Tode gefoltert hatten. Seitdem wird die bis dahin kaum gehörte Kritik lauter.

„Es sind die gleichen Polizisten, die uns immer schon misshandelt haben, die hier willkürlich töten. Das hat sich auch mit der UPP nicht verändert“, erklärte Rita de Castro, Aktivistin in der Rocinha, gegenüber der taz.

Die Vorwürfe von Menschenrechtlern sind umfassend: Misshandlungen von Anwohnern, Einschüchterungen, ständige Hausdurchsuchungen ohne Durchsuchungsbefehl, willkürliche Hinrichtungen. Das gesamte Konzept sei nicht auf öffentliche Sicherheit ausgerichtet, sondern ähnele dem Vorgehen gegen einen Feind. „Die UPPs sind wie eine Besatzungsmacht, sie fragen uns nie, nach unserer Meinung, wie die Probleme hier gelöst werden könnten“, urteilt Rita de Castro.

Offenbar ohne Alternative, setzt der Staat in Sachen Sicherheit ausschließlich auf diese Polizei. Erst vergangenen Monat wurde die Armee zu Hilfe gerufen, um die riesige Favela der Maré zu besetzen, die strategisch wichtig zwischen der Stadt und dem Flughafen liegt. Hier hatten Drogengangs offenbar eine Offensive gegen die Befriedungspolitik gestartet. Doch die Methoden änderten sich nicht, die Bewohner beschweren sich über Bedrohungen, Unsicherheit und Todesopfer. ANDREAS BEHN