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Archiv-Artikel

Ein Versuch, nichts zu erzählen

In unserer Serie „Agronauten“ fragen wir: Sind Sie bereit fürs Land? Oder das Moor?

Helmut Salzinger geht im Frühherbst in der Nähe seines Dorfes Odisheim mit dem Hund spazieren, „auf einem Weg zum Raterbusch hinüber“ – ins „Lange Moor, das zu einem System von Hoch- und Niedermooren gehört, welches sich vom Ahlenmoor im Norden bis Ebersdorf im Süden erstreckt“.

Dabei kommt er an einem Schild vorbei: „Achtung! Floratorf-Produkt. Aus dem vor Ihnen liegenden Hochmoor werden die reinen Rohtorfe für die Herstellung der natürlichen Floratorf-Produkte gewonnen. Floratorf-Produkte helfen, alles besser wachsen und blühen zu lassen. Gärten werden schöner und Städte grüner. Helfen Sie mit, dass unsere Flächen und Gräben sauber bleiben und eine Zerstörung durch Feuer und Abfälle unterbleibt. Köhlener Torfwerk WK. Strenge GmbH“.

Helmut Salzinger bemerkt dazu: „Das Hochmoor als Betriebsgelände des Torfwerks. Und die Floratorf-Produkte, die mit der Vollkraft der Natur das Geschäft der Stadtbegrünung betreiben. Man stellt sich ein gutes Zeugnis aus und nutzt die Gelegenheit zur Werbung.

Inzwischen wird das Hochmoor hier in Torf verwandelt und in den Städten auf Blumenbeete und -töpfe gekrümelt. Wenn man die Flächen, wo der Torf abgeräumt worden ist, sich selbst überlässt, ziehen sie das Wasser an und haben sich in wenigen Jahren neu begrünt. Das renaturierte Moor erstreckt sich bereits kilometerweit. Ob nun auch das Hochmoor anfangen wird zu wachsen, das wird sich erst noch zeigen. Vorerst erstreckt sich vom Firmenschild aus ein unabsehbares, weiß schäumendes Meer von nickendem Wollgras.“

Helmut Salzinger und sein Hund gehen einen verbotenen Grenzweg am Moorrand entlang, dabei entdecken sie: „Nach Nordosten erstrecken sich jetzt die Torfstiche mit ihrem ausgedehnten System von Gräben, Wällen, Wegen und zum Trocknen gestapelten Torfsoden, alles Braun in Braun. Inselartig haben sich bereits Gräser auf dem Torf angesiedelt. Es folgen Sauerampfer und Brombeere, Glockenheide … Dahinter ist der Abbau in vollem Gange. Vor meinem Auge walzt ein Gefährt, irgendetwas zwischen Raupe, Wanze oder Käfer mit Pflug, es schält im Vorbeifahren den Torf als ununterbrochenen Streifen vom Boden, der dann wohl in handliche Soden geteilt und geschichtet wird. Ob es das ist, was sie ‚ringeln‘ nennen? An einem halb verfallenenen aber noch benutzten Schuppen habe ich ein Papier angeheftet gefunden, mit dem die Firma bekannt gab: ‚Am 13. 10. wird wieder geringelt‘.“

Helmut Salzinger kommt über diese Nachricht ins Grübeln: „Nun, heute ist erst der 9. 10., für wen die Nachricht wohl ist? Der 13. ist doch erst Ende dieser Woche, und es sieht nicht so aus, als würde bis dahin jemand hier vorbeikommen, um sie zu lesen. Doch wer weiß? Ich bin ja auch vorbeigekommen. Und damit konnte keiner rechnen.“

Am Ende des Randweges stoßen Helmut Salzinger und sein Hund auf einen „knallrot aufgemotzten BWM, der dort abgestellt ist“. Ein paar hundert Meter weiter stehen Hütten und schweres Räumgerät.

Helmut Salzinger kommt dabei der Gedanke: „Für mich wäre die Vorstellung, dass das Moor abgetorft wird, leichter erträglich, wenn ich dabei Menschen sähe, die mit dem Torfspaten persönlich dem Moor zu Leibe gehen … Aber was hier geschieht, ist mechanisierter, industrieller Abbau, professionelle Ausbeutung des Moors.“

Wieder zurück in seinem Haus wird Helmut Salzinger diese und andere Gedanken/Eindrücke als „Versuch, nichts zu erzählen“ niederschreiben.

Die ersten Zugvögel haben die Gegend bereits verlassen, aus dem Norden kommend überfliegt eine Schar Wildgänse keilförmig das Moor.

Auch die ersten Kraniche aus Schweden sind hier schon gesehen worden. HELMUT HÖGE