: Die Stadt zwischen den Spiegeln
FOTOGRAFIE New York ist großartig, um eine Frau zu sein: Die französische Fotografin Amélie Losier stellt in der Galerie im Tempelhof Museum ihre Street Photography und Porträts aus der Ostküstenmetropole aus
VON INGA BARTHELS
Die Farbe von New York City? Ein Regenbogen, ganz sicher. Andere sagen: grau, wie der Himmel über der Stadt, oder grün, wie das Geld. Es gibt eben nicht den einen Weg, diese vielschichtige, verrückte, sich ständig verändernde Stadt zu beschreiben. Eine Stadt, über die schon alles gesagt worden ist, die Schauplatz so vieler berühmter Geschichten ist und die schon unzählige Male fotografiert wurde.
Die Ausstellung „Just like a woman. Fotografien aus New York City“ der französischen Fotografin Amélie Losier gilt ebendieser Stadt und ist der Versuch, ihr neue Perspektiven abzugewinnen. Ihre Fotografien zeigen New York, wie sie es sieht. Ein subjektiver Blick auf Menschen, Straßen, Gebäude, eingefangen in 31 Farbfotografien. Dabei mischen sich Straßenfotografien mit Porträts von Einwohnerinnen der Stadt.
Die abgebildeten Frauen lässt sie auch in einem fünfminütigem Fotofilm zu Wort kommen, der die Ausstellung begleitet. Im Film stellt die Fotografin ihnen Fragen: Wie sehen sie New York, welche Farbe hat es, welches Geschlecht? Die Antwort ist immer die gleiche; es gibt keine eindeutige. Die Stadt bedeutet für jede etwas anderes. Für die eine ist sie jedes Geschlecht, für die andere auf jeden Fall weiblich. Manche fühlen sich von der Stadt umarmt, andere fühlen sich einsam. Nur in einem sind sich alle einig: New York ist großartig, um eine Frau zu sein. Niemand urteile hier über andere, jeder stehe es frei, sie selbst zu sein und sich zu entfalten.
Die Frauen in Losiers Porträts stellen die verschiedenen Weisen, in dieser Stadt zu leben, dar. Eine junge Frau im Sommerkleid trägt dazu Cowboystiefel, die Arme sind tätowiert. Eine schicke ältere Dame kommt mit Hut, Handschuhen und einem verschmitzten Lächeln auf den Lippen daher. Eine Frau, die alleine in der U-Bahn sitzt, verkörpert wohl auch die Einsamkeit, die in einer so großen und anonymen Stadt wie New York immer zu spüren ist.
Für Amélie Losier selbst, sagt sie im Film, ist das Leben wie New York, wie das Kino: ohne Regeln. Losier, 1976 in Versailles geboren, studierte Germanistik in Paris und Berlin, bevor sie sich der Kunst widmete. Drei Jahre lang nahm sie Zeichenunterricht an der École des Beaux Arts in Paris und studierte dann in Berlin Dokumentarfotografie unter Arno Fischer, dem berühmten Berliner Fotochronisten.
Losier legt sich in ihrer Arbeit nicht auf ein Genre fest, sie macht Straßenfotografie, Porträts, Reportagen und Multimediaarbeiten. Diese Vielseitigkeit zeigt sich auch in der Ausstellung. Neben den klassischen Porträts der New Yorker Frauen hängen fast surreal anmutende Straßenfotografien. Dabei wollte Losier sich nicht von den unzähligen Fotografien und Filmen der Stadt ihren eigenen Blick bestimmen lassen.
Auf ihren Fotos von New York changieren Licht und Schatten, Reflektion und Wirklichkeit. Auf mehreren Ebenen spielt sich auf ihren Bildern, die oft spiegelnde Flächen zeigen, das Leben der Stadt ab. Menschen auf der Straße, Kleiderpuppen im Schaufenster. Szenen in Cafés und Museen. Nacht und Tag. Einige Fotos sind malerisch, dort spiegeln sich ein glitzernder Kronleuchter und ein Brautkleid im Fenster. Andere sind lustig, wie eines aus dem Guggenheim-Museum, in dem ein Mann auf ein über ihm hängendes Pferd blickt.
Ein Gang durch die Ausstellung ist ein Spaziergang durch New York, die Stadt, die einzufangen so schwer ist. Die Stadt, von der jede und jeder ein eigenes Bild hat. Losier ist es gelungen, ihre persönliche Sicht auf New York zu zeigen. Geheimnisvoll und romantisch, hektisch und absurd. Impressionen, so bunt wie ein Regenbogen.
■ Bis 15. Juni, Galerie im Tempelhof Museum, Alt-Mariendorf 43