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Archiv-Artikel

Zu schade für die Mikrowelle

EDELGEMÜSE Der Spargel droht vom Zeitgeist verschreckt zu werden. Vor allem ältere Menschen schätzen die bleichen Stangen als Delikatesse. Niedersachsen ist das Spargel-Bundesland Nummer eins

Saison-Gemüse

■ Der Spargelkonsum lag in Deutschland im Jahre 2012 laut Agrarmarkt-Information (AMI) bei 1,2 Kilo pro Einwohner. Bundesweit gibt es 2.205 Spargelbauern, die eine Anbaufläche von rund 24.000 Hektar bearbeiten.

■ Niedersachsen liegt dabei mit 436 Betrieben und einer Fläche von 5.200 Hektar an der Spitze. Zu den wichtigsten Spargelregionen in dem Bundesland gehören Verden, Diepholz, Nienburg, Burgdorf, Celle, Braunschweig und Lüneburg.

■ 2013 wurden nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes in Deutschland 100.000 Tonnen Spargel geerntet, wegen der kalten Witterung weniger als in den Vorjahren.

■ Die Spargelsaison läuft in Deutschland meist von Ende April bis zum 24. Juni. Vorher kann man in den Lebensmittelgeschäften Spargel aus Griechenland kaufen.

VON JOACHIM GÖRES

Nirgendwo in Europa wird so viel Spargel wie in Deutschland gegessen – zur Freude der Spargelbauern in Niedersachsen, wo in Deutschland der meiste Spargel geerntet wird. Doch die Branche schaut mit etwas Sorgen in die Zukunft. „Die Nachfrage könnte in den nächsten Jahren sinken“, sagt Michael Koch, Marktanalyst bei der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI). Denn bei jungen Haushalten ist der Spargel nicht so beliebt. „Es sind vor allem Menschen ab 60 aufwärts, die zu den Hauptkunden gehören“, sagt Koch.

Hans-Georg Dreßler will dafür sorgen, dass dies nicht so bleibt. Er ist Geschäftsführer von Produkt + Markt Agribusiness Consulting aus Wallenhorst bei Osnabrück, das Direktvermarkter berät. Zwei Drittel des Spargels wird heute direkt vom Erzeuger an den Endkunden verkauft: über Hofläden, Wochenmärkte oder besondere Verkaufsstände.

Geschält ist gefragt

„Immer weniger Kunden wollen weite Wege zu einem abgelegenen Hofladen machen“, sagt Dreßler. Ein günstiger Ort für einen Verkaufsstand sei wichtig. Zudem müsse der Spargel geschält angeboten werden, denn junge Verbraucher wollten nicht viel Zeit mit der Zubereitung der Mahlzeiten verbringen. „Der Spargel für die Mikrowelle hat Erfolg – für Feinschmecker ist das sicher nichts“, sagt Dreßler.

Wie Experten schätzen, wird inzwischen der meiste Spargel geschält verkauft, obwohl dessen Preis höher ist als bei ungeschältem Spargel. Eine Spargelschälmaschine kostet 30.000 Euro aufwärts – ein Umstand, der dazu führt, dass kleine Anbaubetriebe vor solchen Investitionen zurückschrecken und aufgeben.

Dreßler fordert mehr Werbung für den Spargel. In den Hauptanbaugebieten rennt er damit offene Türen ein. 1996 hat sich die Arbeitsgemeinschaft „Nienburger Spargel“ gegründet (www.nienburger-spargel.de), die für ihren besonders lieblichen Spargel überall in Deutschland wirbt. Durch die wachsende Nachfrage hat sich die Anbaufläche auf den leichten Geestböden im Landkreis Nienburg in den letzten 35 Jahren verfünffacht.

Gemüse im Museum

Seit einigen Jahren gibt es in Nienburg das Niedersächsische Spargelmuseum, wo am 18. Mai das 5. Nienburger Spargelfest stattfindet. Die Niedersächsische Spargelstraße verbindet die typischen Spargelregionen miteinander – und wirbt unter www.spargelstrasse.com mit Rezepten für das edle Gemüse: gebratene Spargelspitzen, Spargel im Schlafrock, geeistes Spargelsüppchen mit Nordseekrabben und Avocado oder Spargel-Erdbeer-Salat mit Eis aus grünem Spargel und süßem Pesto.

„Grüner Spargel liegt bei der Anbaufläche unter zehn Prozent, aber die Nachfrage beim Verbraucher wächst“, sagt Koch. Auf fünf bis zehn Prozent schätzt Aloys Rosen von der Deutschen Spargelzucht aus Alt-Mölln den Anteil von Bio-Spargel in Deutschland. Auf einer Fläche von sieben Hektar baut Rosen ausschließlich Spargel in Bioqualität an, ohne dabei mehr als mit konventionellem Spargel zu verdienen. „Durch die bessere Qualität haben wir aber eine höhere Verkaufssicherheit“, sagt Rosen. Beim Verbraucher sei aber auch der konventionell erzeugte Spargel beliebt, denn er kommt nicht direkt mit Pflanzenschutzmitteln in Kontakt.

„Der Spargel wird teurer werden, wenn der Mindestlohn von 8,50 Euro für die Saisonarbeitskräfte kommt“, warnt Dietrich Paul, Vorsitzender der Vereinigung Spargelanbauer in Niedersachsen und Geschäftsführer der Handelsfirma Asparagus aus Hoya. Derzeit sind 6,50 Euro die Stunde üblich.

Rund 15.000 Saisonarbeiter, vor allem aus Polen und Rumänien, sind nach seinen Angaben bei der Spargelernte in Niedersachsen im Einsatz. Die vielfach kritisierte Freizügigkeit für Arbeitnehmer verteidigt er: „Durch die Mitgliedschaft zur EU ersparen sich die deutschen Spargelbauern viel bürokratischen Aufwand, um diese Saisonarbeitskräfte nach Deutschland zu bekommen.“ Dass sie angesichts absehbarer höherer Lohnkosten demnächst durch vollautomatische Erntemaschinen ersetzt werden könnten, glaubt Paul nicht: „Diese Maschinen arbeiten nicht effizient genug.“

Die Maschinen sind da

Christoph Peveling ist da anderer Meinung. Sein Unternehmen aus Rhede ist einer der wenigen Anbieter von vollautomatischen Spargel-Erntemaschinen. Kostenpunkt 100.000 Euro. „Wenn der Mindestlohn in Deutschland kommt, dann wird das Interesse wachsen“, prognostiziert er. „In Frankreich, wo es bereits einen wesentlich höheren Mindestlohn gibt, sind unsere Maschinen mit Erfolg im Einsatz.“

Herbert Huth setzt derweil noch auf die traditionelle Ernte. Der Arzt aus Kirchdorf bei Sulingen hat ein ergonomisches Spargelmesser entwickelt, das häufige vorkommende Verletzungen beim Stechen wie Blasen an den Händen verhindern soll. Gefertigt wird es bei einem Betrieb in Kirchdorf. Pro Jahr verkauft Huth 7.000 Stück davon, zum Preis von rund 20 Euro. „Die Spargelbauern überlegen, ob sie sich das leisten wollen, denn es gibt auch schon Messer für acht Euro. Letztlich arbeiten die Erntehelfer aber mit dem ergonomischen Messer viel effektiver“, sagt Huth.