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Archiv-Artikel

Steckdosen im Meer

Die Große Koalition in Berlin will den Anschluss von Windkraftanlagen ans Stromnetz erleichtern. Zumindest einige Offshore-Windparks könnten dadurch die Wirtschaftlichkeitsschwelle erreichen

VON GERNOT KNÖDLER

Der Bundestag wird heute ein Gesetz beschließen, das den Bau von Windparks auf See („offshore“) erleichtert. Wie die SPD-Fraktion mitteilte, bürdet es die Kosten für den Anschluss der Windparks den Stromnetzbetreibern auf. Außerdem erleichtert es das Verlegen von Erdkabeln. Mit diesem „Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetz“, auf das sich die Koalitionsfraktionen von SPD und CDU geeinigt haben, rückt der Bau des ersten deutschen Windparks auf See einen großen Schritt näher. Heißer Kandidat für die Vorreiterrolle ist „Baltic I“, 17 Kilometer nördlich der Halbinsel Darß.

Entgegen den großen Hoffnungen, die mit den Windparks auf hoher See verbunden werden, lässt deren Bau auf sich warten. Wegen der großen Nachfrage nach Windkraftanlagen weltweit sind die Kapazitäten der Hersteller ausgelastet. Rohstoffe wie Stahl und Kupfer sind viel teurer geworden. Allein der Preis für Kupferkabel sei von 2004 auf 2005 um rund 40 Prozent gestiegen, sagt Christian Schnibbe von der Bremer Firma Wind Project Development (WPD). Abgesehen davon sind die technischen Probleme größer als erwartet: Nur extrem robuste Anlagen können dem Salzwasser und den hohen Wellen widerstehen.

Alles zusammen genommen macht die Offshore-Windparks unwirtschaftlich – obwohl ihnen das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) eine höhere Vergütung für ihren Strom zugesteht, als den Betreibern von Windrädern an Land. Die Bundesregierung möchte aber bis 2010 Windräder mit einer Leistung von 2.000 bis 3.000 Megawatt auf See installiert sehen, was der Leistung zwei bis drei Atomkraftwerken entspricht. Deshalb wurden verschiedene zusätzliche Fördermöglichkeiten diskutiert.

Die Koalition hat jetzt entschieden, die Windparks auf See so zu behandeln wie Atom- oder Kohlekraftwerke an Land: Den Anschluss der Windparks ans Netz müssen nicht mehr die Anlagenbetreiber, sondern die Stromnetzbetreiber bezahlen. Das soll für Windparks gelten, mit deren Bau spätestens am 31. Dezember 2011 begonnen wurde.

Um den Leitungsbau an Land zu beschleunigen, soll es zudem attraktiver werden, Erdkabel zu verlegen. Netzbetreiber wie E.on und Vattenfall sperren sich gegen Erdkabel mit dem Argument, diese seien teurer als Freileitungen. Zumindest für das 110-Kilovolt-Hochspannungsnetz ist das umstritten. Künftig können die Netzbetreiber, die an der Küste Erdkabel verlegen, entstehende Mehrkosten auf alle Netzbetreiber in Deutschland umlegen. „Da Planungsverfahren und Bau von Erdkabeln weniger Zeit in Anspruch nehmen als Freileitungen, trägt diese Regelung zum schnelleren Ausbau und einer effektiveren Nutzung der Windenergie bei“, sagt der SPD-Abgeordnete Marko Mühlstein, der das Gesetz mit erarbeitet hat.

„Das ist ein deutliches Signal, dass die Große Koalition die Windenergie weiter voranbringen will“, freut sich Hermann Albers, Vizepräsident des Bundesverbands Windenergie (BWE). Durch den kostenlosen Netzanschluss würden die Windparks bis zu 30 Prozent billiger, schätzt Fritz Vahrenholt, Vorstandsvorsitzender des Windrad-Herstellers Repower Systems. „Mit der Verabschiedung des Gesetzes werden maßgebliche Hemmnisse und ein seit Jahren bestehender Investitionsstau beseitigt“, sagt er.

BWE-Sprecher Matthias Hochstätter ist vorsichtiger: „Das kann für den einen oder anderen Windpark reichen, aber für viele in der Nordsee wahrscheinlich nicht“, vermutet der Verbandssprecher. Die „Steckdose im Meer“ sei ein erster Schritt, der aber nicht ausreiche. In den Niederlanden und Großbritannien werde die Offshore-Windenergie viel stärker gefördert.

Zumindest für Vorhaben in der weniger schwierigen Ostsee könnte das Gesetz den Weg frei machen. „So ein Projekt wie Baltic I sehen wir damit in der Wirtschaftlichkeitszone“, sagt WPD-Sprecher Schnibbe. Das Projekt mit 21 Windrädern befindet sich innerhalb der Zwölf-Seemeilen-Zone in vergleichsweise seichten 17 Metern Wassertiefe und verfügt über alle notwendigen Genehmigungen, einschließlich des Kabelanschlusses. „Einer Realisierung in 2007 steht jetzt noch weniger entgegen“, sagt Schnibbe.

Als erstes Projekt in der Nordsee, 45 Kilometer vor Borkum, dürfte 2008 das Testfeld der Stiftung Offshore Windenergie verwirklicht werden. Anlagenbauer, Finanzierer und Netzbetreiber wollen hier Erfahrungen mit Windrädern in großen Wassertiefen weit vor der Küste sammeln. Die Bundesregierung fördert das mit 50 Millionen Euro.