Ungestört vom wilden Leben

CLUB WHITE TRASH ZIEHT WEG

Dass Prenzlauer Berg nicht mehr rockt, ist in Berlin beileibe keine neue Nachricht. Partypeople jüngeren Datums finden dort schon lange keine bezahlbare Wohnung mehr, auf die Zuschreibung „Szeneviertel“ verzichtet inzwischen sogar die Süddeutsche Zeitung, und die Clubs haben auch weitgehend kapituliert. Am Donnerstag verließ nun auch das White Trash am Anfang der Schönhauser Allee tief im Süden des Stadtteils ebendiesen.

Das ist gar nicht so schlimm. Zum einen, weil sich Berlin ja immer verändert, und zum anderen, weil es schon einen Tag später, also am Freitag, wieder neu aufgemacht hat: am Flutgraben, an der Grenze zwischen Treptow und Kreuzberg also.

Aber schade ist es dennoch: Denn der Club, dieser brutal anmutende Bastard aus Bar, Big-Burger-Bude, Konzerthalle und Tattoostudio, hat den Kampf zwischen altem und neuem Prenzlauer Berg so lange und so schön symbolisch ausgefochten wie kein anderer: Es ging mehr als zehn Jahre lang um die Hoheit auf dem – nomen est omen – Bürgersteig. Dieser ist vor den beiden Clubeingängen ziemlich schmal und knapp zur Hälfte außerdem Radweg. Der Pulk von gern englisch sprechenden White-Trash-Besuchern, die auf Einlass warteten oder einfach vor der Tür rauchten, ragte also regelmäßig in das von den Radlern beanspruchte Terrain.

In der Anfangszeit, also gegen Mitte der nuller Jahre, war das kein Problem: Irgendwie schlängelten sich die Zweiradfahrer kräftig klingelnd durch. Doch parallel zu dem Trend zum Kombi – sprich breiten, mit Doppelpack beladenen Kinderanhängern – in Prenzlberg vertieften sich die Angst-und-Wut-Furchen in den Gesichtern der Fahrradmuttis und -vatis. Sie können nun aufatmen – und, ungestört vom wilden Leben, in die Eigentumswohnung fahren. BERT SCHULZ