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Archiv-Artikel

PHILIPP MAUSSHARDT über KLATSCH Ein Perlhuhnbrüstchen für Meryl Streep

Spitzenköche haben kaum Zeit fürs Kino. Trotzdem widmen einige jetzt ihrem Lieblingsfilmstar ein Kochrezept

Mit Kochbüchern verhält es sich wie mit Reizwäsche: Sie wird häufiger gekauft als angewandt. Und hört man Buchhändler so reden, dann ist das Kochbuch tatsächlich die letzte Stütze des Buchmarkts. Wenn die Deutschen auch sonst nicht mehr viel lesen – „Backvergnügen wie noch nie“ oder „Kartoffelgratins mal ganz anders“ verkaufen sich immer. Ein Buchladen in Köln hat in seinen Regalen 6.000 Kochbücher stehen, nur auf Deutsch. Das klingt bedrohlich und ist es auch. Denn noch nie wurde in diesem Land – was die Masse der Bewohner angeht – so schlecht gekocht wie heute. Wer viel liebt, braucht eben keine Sexheftchen.

Der Strudel vom Hällischen Landschwein mit Salat von breiten Bohnen und Pfifferlingen war schon angerichtet, als der Maybach vor dem Hotel Victoria in Bad Mergentheim hielt und Mario Adorf mit einem kleinen schwarzen Köfferchen die Empfangshalle betrat. Mehrere Sterne-Köche und kulinarisches Fachpersonal warteten da schon im Restaurant, doch der „große Bellheim“ ließ sich so schnell es ging aufs Zimmer bringen, um dort erst mal in Ruhe Schumachers letztes Formel-1-Rennen im Fernsehen anzuschauen. Zur Keule vom Mäusdorfer Landgockel mit Petersilienwurzelpüree war Adorf aber wieder zurück im Speisesaal und tat, was ihn schnell die Enttäuschung über Schumis vierten Platz vergessen ließ: Er assistierte bei der Präsentation des sechstausendundeinsten Kochbuchs: „Stars und Sterne. Die Lieblingsrezepte von Spitzenköchen für ihre meistbewunderten Filmstars“.

Es ist mit ziemlicher Sicherheit das überflüssigste Kochbuch seit langem und gerade deswegen so genial. Ein Lammrücken mit Tomaten-Cremolata gewidmet ausgerechnet dem Currywurstspezialisten Götz George, wer hätte das gedacht. Dann vielleicht schon passender ein warmer Schockoladenbiskuit mit Mostapfel-Feigen für Helmut Qualtinger. Meryl Streep bekommt ein Perlhuhnbrüstchen (angemessen), Woody Allen immerhin einen Kaninchenrücken, und Deutschlands meistgelobter Koch Heiner Wohlfahrt hat für Sir Peter Ustinov selig ein Rotbarbenfilet auf Kokosrisotto zum Himmel geschickt.

Welcher deutsche Spitzenkoch sich allerdings als Lieblingsschauspieler Peter Alexander aussuchte, wird hier nicht verraten. Es könnte geschäftsschädigend sein. Schade, dass keiner der 40 Köche Loriot als Favoriten nannte. Von ihm („Ödipussi“) stammt der wohl denkwürdigste Filmdialog zum Thema. Winkelmann im Restaurant zum Kellner: „Können Sie mir sagen, was eine Poitrine de beau voyage ist?“ Der Kellner: „Das ist eine Suprême chevreaux à la sou bris gratinât.“

In diesem Moment werden weltweit 20 große Kinofilme gedreht, die alle mit Essen zu tun haben, weiß Dieter Kosslick, Chef der Filmfestspiele Berlin. Darum hat er dem „kulinarischen Kino“ ab nächstem Jahr ein eigenes Spezialprogramm gewidmet. Essen und schauen, cook and look. Und jetzt also auch noch cook und look und book. Kosslick ist einer von vier Preisträgern, denen jetzt von der Akademie für Kulinaristik der Internationale Eckart-Witzigmann-Preis 2006 verliehen wurde. Mario Adorf (Reh im Gewürzteig) hielt die Laudatio.

Redner der Landesregierung lobten im Marmorsaal des Stuttgarter Schlosses am Montag dieser Woche die „Schpitzenleischtungen der Kulinarischtik“ im deutschen Südwesten und „die Kochkunscht auf höckschtem Niveau“. Das Schöne am Essen aber ist nicht zuletzt, dass man beim Kauen nicht reden sollte, und so wurde es doch noch ein wunderbarer Abend.

Übrigens garnieren viele Filmzitate das Kochbuch. Mein Lieblingsdialog stammt aus „Der Pate“: „Was hast du denn heute, Carlo?“ – „Halt’s Maul und deck den Tisch!“

„Stars und Sterne“. Herausgegeben von Eckart Witzigmann, Hampp Verlag

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