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Archiv-Artikel

Kultureller Ausverkauf

Krefeld will Monet verkaufen und auch in Münster kursieren Vorschläge, Kultur zu Geld zu machen: Unter anderem droht dem Rüschhaus die Schließung. Dort lebte einst Annette von Droste-Hülshoff

VON BORIS R. ROSENKRANZ

Immerhin 20 Jahre lebte sie in ihrem „Schneckenhaus“. So nannte Annette von Droste-Hülshoff das Anwesen in Münster, in das sie kurz nach dem Tod ihres Vaters zog. 1825 hatte die Familie der Dichterin das Haus Rüschhaus gekauft, einen schmucken Bau im Stadtteil Nienberge, der lange Zeit in Familienhand bleiben sollte und in dem unter anderem die Novelle „Die Judenbuche“ entstand. Seit 27 Jahren nun gehört das Haus zu gleichen Teilen der Stadt und dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe. Fragt sich nur, wie lange noch? Denn in Münster kursiert der Vorschlag, das Haus zu verkaufen, um so den lädierten Stadthaushalt aufzupäppeln.

Kulturgüter mit hohem ideellen Wert in schnöden Mammon zu verwandeln – das erinnert unweigerlich an die Pläne der Stadt Krefeld, ein Gemälde von Claude Monet zu veräußern, um mit dem Erlös ihr marodes Museum zu sanieren. Der Fall Münster ist ähnlich gelagert. Rund 694 Millionen Euro Schulden hatte die Kommune Ende vergangenen Jahres, weshalb eine eigens beauftragte Unternehmensberatung vor einigen Monaten einen Katalog mit insgesamt 250 Sparvorschlägen vorlegte. Ein Rundumschlag, über den der Stadtrat längst hätte entscheiden sollen, was aber bislang nicht geschah. Weshalb man in Münster nun beschwichtigt, dass es natürlich kein Plan sei, das Rüschhaus zu schließen, sondern lediglich ein Vorschlag der Berater.

Plan hin, Vorschlag her: Der Verband Deutscher Schriftsteller (VDS) und die im Rüschhaus ansässige Annette von Droste-Gesellschaft schlagen Alarm. Mit einer „kulturellen Hausbesetzung“ wollen sie am heutigen Sonnabend gegen die drohende Schließung des Hauses protestieren. Denn würde das Rüschhaus verkauft, wäre nicht nur die angesehene Droste-Gesellschaft in Gefahr, der ihr jährlicher Zuschuss von 3.500 Euro bereits gestrichen wurde, sondern auch das dort beheimatete Museum, das pro Jahr rund 15.000 Besucher zählt. Einer „literarisch wertvollen Örtlichkeit“ drohe die Schließung, sagt Volker W. Degener vom VDS: Den Leuten falle offenbar nichts anderes mehr ein, als ihr kulturelles Hab und Gut zu Geld zu machen. Das sei ein „verhängnisvolles Signal“, so Degener.

Verhängnisvoll wäre es in der Tat auch, würde ein anderer Vorschlag der Unternehmensberater umgesetzt: So wird nämlich ebenfalls empfohlen, den Zwinger zu schließen, der zunächst Teil der Stadtbefestigung, später in der NS-Zeit Gefängnis und Hinrichtungsstätte der Gestapo war. Heute ist dort ein Mahnmal. Außerdem beherbergt der Zwinger die Skulptur „Das gegenläufige Konzert“ von Rebecca Horn. Würde man die Gedenkstätte an die Opfer der Nazi-Herrschaft streichen, brächte das der Stadt eine jährliche Ersparnis von sage und schreibe rund 12.200 Euro. Das Rüschhaus kostet die Stadt, inklusive Personalkosten und Pflege des barocken Gartens, rund 70.000 Euro per anno.

Angesichts der angepeilten 30 Millionen, die die Stadt langfristig sparen wolle, gehe es hier bloß „um Kleingeld“, sagt Hery Klas von den Grünen. Literaturförderung müsse in Münster fortbestehen. Und den Zwinger zu schließen, wäre schlicht „ein Skandal“. Viel eher gelte es, ein neues Konzept zu überlegen, mit flexiblen Öffnungszeiten. Bei der SPD sind die Sparvorschläge auf „scharfe Kritik“ gestoßen. Die Unternehmensberatung habe viele Fehler gemacht, weshalb fraglich sei, ob der Sparplan überhaupt umgesetzt werde. Und wenn: Rüschhaus und Zwinger zu schließen, das werde die SPD wohl nicht mittragen, sagt Alexander Kujat von der SPD-Ratsfraktion. Bei der stärksten Fraktion, der CDU, möchte man sich derzeit nicht äußern, da es noch keine Beratungen gegeben habe. Was auch noch dauern kann. Ob die Sparvorschläge letztlich umgesetzt werden, soll erst im März kommenden Jahres beschlossen werden.

„Kulturelle Hausbesetzung“ im Haus Rüschhaus, Münster-Nienberge, Sonnabend, 9 bis 18 Uhr, mit Musik, Dichterlesungen und Führung über das ArealInfos: 0251-4924503