: Das war noch nicht der Renner
SCHMITZ-NACHFOLGER Tim Renners erster Auftritt als neuer Kulturstaatssekretär blieb blass. Der Kreativunternehmer zeigte nichts, worauf die Freie Szene wartet: nämlich den Pop
■ Die Berliner Staatsoper richtet sich bis auf weiteres auf ihr Übergangsquartier im Schiller Theater ein. Es gebe derzeit keine Hinweise, wann das Ensemble wieder an den Stammsitz Unter den Linden ziehen kann, sagte Intendant Jürgen Flimm am Montag. Generalmusikdirektor Daniel Barenboim sagte, einen Termin sollten die Bauplaner erst dann nennen, „wenn es absolute Sicherheit gibt, wann das Haus wieder eröffnet wird“. Der Wiedereinzug in das historische Haus in Mitte musste bereits mehrmals verschoben werden. (dpa)
VON ROLF LAUTENSCHLÄGER
„Wo ist Renner?“, könnte man in Anlehnung an Bruno Morawetz’ legendäre Ski-Langlauf-Reportage mit dem Running Gag „Wo ist Behle?“ fragen. Relaxed, meist weit zurückgelehnt, manchmal ein Gähnen und ab und zu mit einem Schluck direkt aus der Wasserflasche hat Tim Renner (SPD), Berlins neuer Kulturstaatssekretär, seinen ersten offiziellen Auftritt am Montag im Kulturausschuss absolviert. Eine Frage der Piratenpartei, was er denn von der Initiative halte, welche die T-34-Panzer am sowjetischen Ehrenmal zu entfernen gedenke, beantwortete Renner kurz und knapp: Davon halte er nichts. Das war’s. Mehr Renner gab es nicht.
Der Mann, der die kommenden beiden Jahre neben Klaus Wowereit für die Kulturpolitik Berlins, seine Institutionen und vielen Künstler zuständig sein wird, hat sich im Abgeordnetenhaus mehr als zurückgehalten. Sich vorzustellen fiel aus. Renner blieb still und überließ dem Regierenden und Kultursenator Wowereit das Wort – angesichts des gestrigen Medienaufgebots und der Bedeutung des Amtes ein Fauxpas.
War der Staatssekretär nicht vorbereitet oder hielt er sich nur bedeckt an seinem ersten Arbeitstag? Vielleicht. Auf lange Sicht kann dies im konfliktträchtigen Kulturausschuss aber nicht reichen. Abtauchen geht gar nicht.
Was der Neue wohl auch kann: Nach seiner Ernennung als Nachfolger von André Schmitz (SPD), der im Februar 2014 sein Amt wegen einer Steueraffäre aufgeben musste, hielt Renner sich mit seiner Meinung in Sachen Kulturpolitik nicht zurück. Der 49 Jahre alte gebürtige Berliner und bisherige Geschäftsführer des Musiklabels Motor Entertainment GmbH sowie Exchef von Universal Music Deutschland tat auf Facebook etwa seine witzigen Ansichten über seine zukünftige Verwaltung kund. Die Szene wusste auch Bescheid über Renners Unterscheidung zwischen Hoch- und Unterhaltungskultur. Ihm sei Daniel Barenboim genauso wichtig wie der Szeneclub Berghain, postete er.
Zuletzt fiel der Schmitz-Nachfolger vor Ostern auf, als er in Dortmund bei einer Präsentation des eBook-Anbieters Readbox über die Buchbranche lästerte. Die Musikbranche habe vorgemacht, wie man den „Trend zum Digitalen“ nutzen könne, das Buch aber verschlafe diese Entwicklung. Es müsse den Lesern endlich „Angebote auf Augenhöhe“ machen, nicht wie „ein Ochsenkarren“ auf mittelalterlichem Papier verharren.
Mit der Ernennung des Kreativunternehmers schien Wowereit – nach dem Schmidt-Desaster – ein Coup gelungen, wie die Branche anerkennend befand. Bringt Renner nach mehr „sexy“ nun mehr „Pop“ in die Stadt durch seine Kulturpolitik, fragten viele. Immerhin gilt Renner als einer der profiliertesten Vordenker seiner Zunft.
Doch ob er das angekratzte Image der Berliner Kulturpolitik neu beleben kann, bleibt angesichts des gestrigen Auftritts fraglich. Die eigentlich dicken Bretter in der Berliner Kulturpolitik, die gebohrt werden müssen, sind auch nach Schmitz geblieben: Es geht um mehr Mittel für den bisher 390 Millionen Euro starken Kulturetat. Der Umbau der Staatsoper lahmt (siehe Kasten), die Erweiterung des Kulturforums muss geklärt und der Bau des Humboldtforums vorangetrieben werden. Die Freie Szene, der moderne Tanz brauchen eine Zukunft, ebenso die Planungen der umstrittenen Zentral- und Landesbibliothek auf dem Tempelhofer Feld.
Wie heiß die kulturellen Eisen in Berlin sind, in welchen Bereichen es brennt, wurde dem Neuen am Montag im Ausschuss vorgeführt: Die Lage der Berliner Bibliothekslandschaft sei „desaströs“, sagte Stefan Rogge, Sprecher des hiesigen Bibliotheksverbundes. Statt 200 Bibliotheken wie nach der Wende gibt es heute 74 Standorte, das Personal und die Mittel schrumpften. Ein Bibliotheksgesetz bringt der Senat nicht auf den Weg. Durch Digitalisierung allein, wie Renner in Dortmund der Buchbranche riet, wird sich das nicht lösen lassen.