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Archiv-Artikel

„Nicht gut für unsere Glaubwürdigkeit“

BIO Bei Ökolebensmitteln aus der Region sei das Betrugsrisiko niedriger als bei Importen, sagt Bio-Cheflobbyist Felix Löwenstein

Felix Prinz zu Löwenstein

■ 60, ist Vorstandsvorsitzender des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), des Dachverbands der deutschen Biobranche. Seit 1986 bewirtschaftet der Agraringenieur das Hofgut Habitzheim im südhessischen Otzberg im vorderen Odenwald.

taz: Prinz zu Löwenstein, Bundesagrarminister Christian Schmidt beunruhigt es nicht, dass das Wachstum der Biofläche in Deutschland gegen null geht. Sind Sie auch so gelassen?

Felix Prinz zu Löwenstein: Nein. Der Rückgang des Wachstums macht mir Sorgen. Denn das heißt ja, dass immer mehr Ware importiert wird. Der Markt für Biolebensmittel wächst in Deutschland viel stärker, sodass andere Erzeuger etwa in Osteuropa einspringen.

Warum ist das schlimm?

Mehr Importe sind nicht gut für unsere Glaubwürdigkeit. Man kann sich auch besser vor Betrug schützen, wenn man seine Handelspartner in der Nähe hat und sie besser kennt. Außerdem werden so die Umweltleistungen des Ökolandbaus, die wir bei uns bekommen könnten, exportiert.

Welche Konsequenzen hat das schwächelnde Wachstum für die Umwelt?

So kommt das Projekt des Umbaus der Landwirtschaft nicht vorwärts. Aber genau darum geht es beim Ökolandbau: Er ist die Alternative zu einer Landwirtschaft, die biologische Vielfalt schädigt und Ressourcen übernutzt.

Was muss man tun, damit mehr Bauern auf Bio umstellen?

Diejenigen Agrarministerien der Bundesländer, die von den Grünen geführt werden, legen Öko-Aktionspläne auf. Auch in Bayern wird sehr viel getan. Die Fördersätze für Biobetriebe werden erhöht. In Hessen zum Beispiel wird in jeder Landwirtschaftsschule ein Pflichtfach Ökologischer Landbau eingeführt. Die Vermarktungseinrichtungen für Bioprodukte werden gestärkt. All das wird schon einen Effekt haben.

Reicht das?

Wir brauchen insgesamt eine Förderpolitik, die gezielt die Ökologisierung der Landwirtschaft unterstützt und nicht mit der Gießkanne arbeitet. Auch nach der Agrarreform der Europäischen Union werden die meisten Subventionen für die Landwirtschaft mit der alleinigen Auflage gezahlt, die Gesetze einzuhalten. Und wir müssen im Markt den Vorteil der regional erzeugten Ware besser kommunizieren. Das ist aber gar nicht so einfach – vor allem, wenn es um Rohwaren wie Getreide geht, das der Verbraucher nur als Gebäck zu Gesicht bekommt.

Wie hat die Politik zu dem schrumpfenden Wachstum beigetragen?

Durch Förderprogramme, die zu wenig Anreiz für die Umstellung geboten haben. Zudem sind einzelne Bundesländer – zuletzt das Bundesland Brandenburg – zwischendurch ganz aus der Ökoförderung ausgestiegen. Das hat bei vielen Bauern das Vertrauen darein beschädigt, dass die Politik es mit dem Ökolandbau ernst meint.

Und der Bund?

Kanzlerin Angela Merkel hat bei der Aushandlung des EU-Haushalts dafür gesorgt, dass ausgerechnet der Fördertopf verkleinert wurde, aus dem gezielt Agrar-Umweltmaßnahmen – wie der Ökolandbau – finanziert werden können.

INTERVIEW: JOST MAURIN