: Universeller Managerfight
Das Berliner Theater unterm Dach kooperiert mit dem Bochumer Prinz Regent Theater. Wenke Hardts Inszenierung von „Fitzfinger – ab geht er!“ zeigt, wo es auf den freien Bühnen lang gehen sollte
VON PETER ORTMANN
Was passiert, wenn sich ein Jungmanager des Jahres um eine hoch dotierte Stelle bewirbt – aber nicht genommen wird? Da brechen keine Welten zusammen, da faltet sich der Kosmos. In „Fitzfinger – ab geht er!“ vom Hamburger Autor Johann Jacob Wurster (wurde mit dem Grabbe Preis 1997 ausgezeichnet) stürzt der dann in einem verwaisten Flur eines Konzerns lautlos in sich zusammen und zieht die Beteiligten mit in ein schwarzes Loch aus gegenseitigem Misstrauen und Existenzangst. Bei guter Bezahlung, versteht sich.
Jungmanager Fitzfinger kämpft um den begehrten Arbeitsplatz. Mit allen Mitteln. Er ist dynamisch, flexibel, bereits anderen Orts bewährt und er hat klasse Referenzen. Das Bewerbungsgespräch mit Personalchef Schott schien eigentlich positiv beendet, Worthülsen, Führungskräfte-Geschwafel und freundliche Gesten bestätigen das. Fitzfinger lässt einen Alternativtermin fliegen, doch da kommen leise Zweifel auf. Schotts Formulierungen sind zweideutig. Aus endlosem Nachhaken bildet sich Gewissheit – in dem Konzern wird das nichts. „Wir sondieren den Arbeitsmarkt, ohne ihn abzuschöpfen“, so outet sich der Altmanager. Die Stelle gibt es also gar nicht. Bei Fitzfinger brechen Dämme. Er nistet sich mit subversiver Hartnäckigkeit auf dem Flur vor Schotts Büro ein und der groteske Kampf beginnt.
Mit diesem Stück gastiert das Theater unterm Dach aus Berlin noch bis Mittwoch im Bochumer Prinz Regent Theater – eine Kooperation zweier freier Bühnen. Ihre Premiere spielte merkwürdigerweise vor halb leeren Rängen. Eigentlich ein Witz in der selbst ernannten Theaterstadt mitten im Ruhrgebiet. Und nicht gerechtfertigt. Die Inszenierung hat „Impulse“-Qualität, beide Schauspieler sind hervorragend und das Stück ist ein bösartiger Schlagschatten auf den gehobenen globalisierten Arbeitsmarkt, der auch aktuelle Bezüge verarbeitet, wie die Ausbeutung von Praktikanten, den enormen Stress der Arbeitsplatzinhaber und die Kälte, mit der gegen arbeitswillige Menschen vorgegangen wird. Insofern ist Fitzfingers Kampf kein Luxusproblem.
Das Steckelsche Grau des reduzierten Bühnenbildes (Ex-Intendant Frank Patrick Steckel war wegen dieser Farbe am Bochumer Schauspielhaus oft kritisiert worden), die wohltuende Abwesenheit von Videoeinspielungen und akustischer Dauerberieselung schaffen eine Stunde voller Konzentration auf die beiden Protagonisten, die sich in dieser Zeit rasend verändern. Beide versuchen zwar die Aufrechterhaltung des Scheins, nutzen aber die Schwächen des anderen, spielen mit dessen Ängsten und richten sich in diesem höchst sinnlosen Kampf allmählich nervlich zugrunde. Den schwierigsten Job hat dabei Lothar Kompenhans als Schott. Das ehemalige Steckel-Ensemblemitglied (nur Zufall) wrackt im Zeittakt der Minuten immer weiter ab. Die gemanagte Glätte eines Aals verschwindet hinter Flachmann, eigentlich überflüssiger Arbeit als Personalchef, und dem dazu kommendem „beschissenen Betriebsklima“. Kein „Survival for the fittest“ mehr. Nur noch krankhaftes Erfolgreich sein befriedigt nicht mehr, selbst wenn die Bezahlung „akzeptabel“ ist. Dafür sind zwanghafte Lach-Regieeinfälle in der Inszenierung nicht mehr nötig. Genau. Auf den verwaisten Konzernfluren herrscht längst das Nichts persönlich. Am Ende bekommt Fitzfinger (Ralph Jung) was er will, Schott wird entlassen, er hat ein Bein im Betrieb. „Steil nach oben“ sind seine letzten Worte, bevor das Neonlicht ausgeht. Doch hat er gewonnen?
Heute und morgen, 20:30 UhrPrinz Regent Theater, BochumInfos: 0234-771117