: Am Streit wird nicht gespart
Scheitert Rot-Rot am Konflikt um die Finanzen? Die PDS-Spitze müht sich um Schadensbegrenzung, Klaus Wowereit bekommt Ärger mit dem rechten SPD-Flügel. Der hält sein „Weiter so“ für leichtfertig
VON ULRICH SCHULTE
Linkspartei-Landeschef Klaus Lederer kennt offenbar die Taktik der drei Affen – nichts hören, nichts sehen und am besten mit ein paar Worten auch noch nichts sagen. Die Differenzen mit der SPD bei der Finanzpolitik seien „nicht so groß“, sagte also Lederer gestern, bevor er in der Verhandlungsrunde mit den SPDlern verschwand. „Es gibt hier niemand im Raum, der sagt, dass er keinen verfassungsgemäßen Haushalt will. Niemand ruft hier zum Verfassungsbruch auf.“
Was Lederer nicht erwähnt, ist: Zwischen den Haushaltsexperten seiner eigenen Partei und denen der SPD könnten die Differenzen kaum größer sein – und an der Frage, bis wann ein verfassungsgemäßer Haushalt erreicht werden soll, könnte das rot-rote Bündnis scheitern. Beide Seiten wollen das heikle Thema morgen besprechen. Die Fronten wurden in den vergangenen Tagen abgesteckt. Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) will schon 2008 einen Haushalt vorlegen, in dem die Neuverschuldung nicht die Investitionen übersteigt. So schreibt es die Verfassung vor. Linkspartei-Haushaltsexperte Carl Wechselberg sieht das anders. Seine Partei werde keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, in der das Ziel eines verfassungsgemäßen Haushalts für 2011 festgeschrieben sei, sagt er.
Dabei geht um mehr als eine Terminfrage. Sarrazins Zeitplan ist nur mit neuen Einschnitten zu schaffen, auch wenn er vor allem auf mehr Steuereinnahmen und die Wirkung bereits getroffener Sparbeschlüsse hofft. Nach Wechselbergs Einschätzung müssten über 500 Millionen Euro im Jahr zusätzlich gespart werden – zu viel für die Linkspartei. Zum Vergleich: Der Zuschuss für die Humboldt-Universität beträgt rund 300 Millionen Euro. Wenn Linkspartei-Landeschef Lederer also von „nicht so großen“ Differenzen spricht, ignoriert er den eigenen Haushälter. Oder er hofft, dass sich Sarrazin in der SPD nicht durchsetzen kann. Zumindest der eher konservative SPD-Flügel stützt aber den Kurs des Finanzsenators. Ein am Wochenende veröffentlichtes Papier der Gruppe Aufbruch Berlin betont, die Regierung sei „verpflichtet, einen verfassungsgemäßen Haushalt vorzulegen“. Das Bündnis um Ex-Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing und Haushaltsausschusschef Ralf Wieland will etwa nach Auslaufen des Solidarpaktes nicht mehr Geld für Personal ausgeben und mit den Wohnungsbaugesellschaften härter ins Gericht gehen (Text unten). „Wir machen uns große Sorgen um das, was in den letzten Tagen aus der Linkspartei verlautete“, so Fugmann-Heesing.
Das Papier beinhaltet auch die Forderung nach einem lokalpatriotischen Studiengebührenmodell, welches Berliner Abiturienten nicht, dafür aber Studierende aus anderen Bundesländern zur Kasse bittet. „Studiengebühren werden flächendeckend eingeführt. Berlin kann es sich nicht leisten, die Insel der Glückseligen zu bleiben“, sagt Arne Grimm, ein Sprecher des SPD-Bündnisses.
Derlei Forderungen sind Sprengstoff für Rot-Rot. Wowereit wird das Papier aus einem anderen Grund aufmerksam gelesen haben. Im rechten Parteiflügel mehrt sich Kritik an seinem Kurs des „Weiter so!“ nach dem Finanzurteil. „Das ist leichtfertig“, sagt ein SPDler. Die trotzige Regierungserklärung habe man „mit Befremden“ verfolgt. Wowereit gibt sich kaltschnäuzig: „Den Widerstand in der SPD, den überlassen Sie mal mir“, erklärte er Journalisten.