… DER PAPST?: Kommen
Werte MitbürgerInnen: Sollten irgendwann im kommenden Jahr seltsam gekleidete Menschen in Ihrer Nachbarschaft auftauchen, die eine sonderbare, Ihnen unverständliche Fremdsprache sprechen, sehr geheimnisvoll tun und herumzündeln – dann sollten Sie vielleicht nicht gleich den Innensenator unterrichten, sondern in Erwägung ziehen, dass es sich um Benedikt XVI. und seine weihrauchfassbewehrte Entourage handeln könnte. Zumal wenn Sie in Nordneukölln wohnen, wo ja die päpstliche Botschaft („Nuntiatur“) liegt. Denn der Papst kommt. Schon wieder. Nach zwei Pastoralreisen stattet Joseph Ratzinger (83) Deutschland und Berlin 2011 die erste echte Staatsvisite ab. In der zweiten Septemberhälfte werde es so weit sein, teilte das Erzbistum Berlin am Freitag mit.
Erwartungsgemäß zerflossen deutsche Politiker vor Ergriffenheit: „Es ist mir und sehr vielen Menschen in unserem Land eine ganz besondere Freude und Ehre, den Heiligen Vater im 60. Jahr seiner Priesterweihe in seinem Heimatland begrüßen zu dürfen“, sagte Bundespräsident Christian Wulff. Und der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), der – sei’s als scheidender, sei’s als altneuer Landeschef – den Kirchenmann im Roten Rathaus empfängt, sprach leicht redundant von einem „Besuch, der in seiner Einzigartigkeit historische Qualität“ habe.
Ach ja: Das letzte Mal machte ein Papst 1996 Station in Berlin. Als Johannes Paul II. Tegeler Boden küsste, war es aber Juni – der Monat des lesbisch-schwulen Stadtfestes. Die Schöneberger Szene kürte als Protestzeichen gegen den Homohass des Vatikans nicht nur einen Ersatzpapst in rosa Samt (Ades Zabel), es gab auch eine Gegenpäpstin (Domenica) und eine schwule Heilige (Charlotte von Mahlsdorf). Festmotto: „Ich komme, du kommst, wir kommen gemeinsam.“
Charlotte von Mahlsdorf ist nicht mehr, und auch die Hauptstadt-Katholiken sind seitdem von ca. 340.000 auf knapp 320.000 geschrumpft. Tempus fugit. Was ganz interessant wäre: Wo war damals eigentlich Klaus Wowereit? CLP
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