: „Wir warten auf Taten“
Beim Klimaschutz betreibt die Bundesregierung nur Ankündigungspolitik, sagt Jürgen Maier vom Forum Umwelt und Entwicklung
taz: Herr Maier, Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) will einen Paradigmenwechsel zu einer ökologischen Industriepolitik. Wie glaubwürdig ist das?
Jürgen Maier: Gabriel kündigt schon seit Amtsantritt an, dass er der Innovationsminister werden will. Er hat aber wenig in dieser Richtung getan und beim Klimaschutz die alten Strukturen geschützt. Deswegen finden wir das zwar interessant, aber wir warten eher auf Taten als auf noch mehr Ankündigungen.
In welchen Punkten bleibt Gabriel hinter seinem Anspruch zurück?
Mit dem Allokationsplan für den Emissionshandel hat er sehr innovationsfeindliche Akzente gesetzt: Die Kohlekraftwerke werden begünstigt, umweltfreundliche Gaskraftwerke kriegen weniger Emissionsrechte. Das ist eine Politik, die nicht zu Innovation führt.
Welche Interessen spiegelt die deutsche Klimapolitik wider?
Gabriel ist Sozialdemokrat, und die Sozialdemokraten sind traditionell die Partei der Kohle und der großen Stromkonzerne. Man sieht es ja zurzeit sehr deutlich: Die CDU versucht, gegen die Stromkonzerne radikal vorzugehen – bis hin zu Enteignungen, die die hessische Landesregierung ins Gespräch bringt, während die Sozialdemokraten ihre schützende Hand über genau die Stromkonzerne halten, die neue Technologien regelrecht behindern, wenn sie ihren Gewinninteressen zuwiderlaufen. Das ist das Grundproblem des Herrn Gabriel: Selbst wenn er mehr will – seine Partei blockiert ihn.
Warum unterstützt die SPD die großen Energieversorger?
RWE ist mit der SPD schon lange eng verflochten. Eon auch. Die Bergbaugewerkschaft will keinen ernst zu nehmenden Klimaschutz auf Kosten der Kohle. Da ist die SPD leider sehr empfänglich. Die Zeiten, wo ein grüner Umweltminister sich gegen den SPD-Kohleminister Clement abgekämpft hat, sind vorbei. Heute haben wir es umgekehrt. Der CSU-Wirtschaftsminister wäre bereit, mehr gegen die Kohlelobby zu tun als der SPD-Umweltminister.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat angekündigt, sie werde den Klimaschutz zum Thema der EU-Ratspräsidentschaft und des deutschen Vorsitzes bei der G-8-Konferenz machen. Wird sie versuchen, Gabriel beim Klimaschutz auszustechen?
Frau Merkel macht im Wesentlichen Ankündigungspolitik. Was die Deutschen in Europa tun, kann man kaum als Vorreiterrolle beim Klimaschutz bezeichnen. Die Energieeffizienz, mit der man viel tun könnte, wird von den Deutschen blockiert. Die EU-Kommission würde gerne viel mehr tun, als die Bundesregierung zulässt. Auch beim Emissionshandel sind die Deutschen eher ein Problem. Wenn Frau Merkel eine Vorreiterrolle einnehmen will, muss sie zuerst für ein paar der Politiken grünes Licht geben, die die Bundesregierung jetzt in Brüssel verhindert. Das ist nicht sehr schwierig, aber ich fürchte, Frau Merkel hat noch nicht in voller Tragweite erkannt, dass Handeln geboten ist.INTERVIEW: GERNOT KNÖDLER