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Archiv-Artikel

Absolutistischer Sultan führt jetzt doch die Scharia ein

BRUNEI Trotz Kritik auch aus dem Land selbst gilt ab sofort die erste Stufe des islamischen Strafrechts

„Allah selbst hat gesagt, dass sein Gesetz tatsächlich fair ist“

SULTAN HASSANAL BOLKIAH

VON NICOLA GLASS

BANGKOK taz | In Brunei gilt ab dem 1. Mai die Scharia. Nach dem Willen von Sultan Hassanal Bolkiah soll das islamische Strafrecht schrittweise über drei Jahre eingeführt werden. Zunächst werden nur Vergehen wie das Missachten des Fastengebots im Ramadan oder des Freitagsgebetes mit Haft- oder Geldstrafen geahndet. Als nächstes sind bei Diebstahl körperliche Züchtigungen wie Auspeitschen oder gar die Amputation von Gliedmaßen vorgesehen. In einer letzten Phase soll dann für Ehebruch und homosexuelle Handlungen die Todesstrafe durch Steinigung verhängt werden.

Eigentlich sollte die Scharia, die bislang nur im Familienrecht angewandt wurde, bereits in der zweiten Aprilhälfte eingeführt werden. Das war dann aber zunächst ohne Angabe konkreter Gründe auf unbestimmte Zeit verschoben worden.

Menschenrechtsorganisationen kritisieren die Einführung scharf: Sie sei ein autoritärer Schritt in Richtung einer brutalen mittelalterlichen Form der Bestrafung, die im modernen 21. Jahrhundert keinen Platz habe, so Phil Robertson von Human Rights Watch. Auch das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte drängt Brunei dazu, die Einführung zu überdenken: Strafmaßnahmen wie Steinigungen seien nicht mit internationalem Recht vereinbar.

Selbst im autoritär regierten Brunei, wo es faktisch keine politische Opposition gibt und das Parlament nur in Form eines handverlesenen Legislativrates existiert, hatte sich in sozialen Netzwerken seltener öffentlicher Unmut geregt.

In dem Land, in dem Muslime knapp 70 Prozent der Bevölkerung ausmachen und es eine buddhistische und christliche Minderheit gibt, befürchten offenbar viele, die der Sultansfamilie insgeheim einen verschwenderischen Lebensstil vorwerfen, dass jede am Herrscher und seiner Politclique geäußerte Kritik als unislamisch gebrandmarkt und mit der Scharia geahndet werden könnte. Die Kritik stieß Hassanal Bolkiah sichtlich auf, der als absoluter Monarch Staatsoberhaupt, Premier-, Finanz- und Verteidigungsminister in Personalunion ist. Er herrscht als einer der reichsten Männer der Welt seit 1967 über den ölreichen Staat an der Nordwestküste Borneos. So sah sich der 67-Jährige jetzt genötigt, seine 420.000 Landsleute zu drängen, die Scharia zu unterstützen: „Die Theorie besagt, dass Allahs Gesetz hart und unfair ist, aber Allah selbst hat gesagt, dass sein Gesetz tatsächlich fair ist.“

Fraglich ist, ob die Kritiker den Beteuerungen der Behörden glauben, bei der Anwendung würden strenge Kriterien gelten und die Richter weiten Ermessungsspielraum hätten.