: Wer haftet für Geburtsschäden?
GESUNDHEIT Gröhe will Krankenkassen mehr für Hebammen bezahlen lassen und schlägt Verzicht auf Regressforderungen vor. Die Reaktionen darauf fallen gemischt aus
BERLIN dpa | Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) will die Krankenkassen einspannen, um durch steigenden Haftpflichtprämien in ihrer Berufsausübung gefährdete Hebammen zu unterstützen. Die Kassen sollen mit zusätzlichem Geld die Prämien ausgleichen. Damit die Policen nicht noch teurer werden, soll die Haftpflichtversicherung der Hebammen zudem von Kostenrisiken befreit werden. Sie soll den Kassen Behandlungskosten nach Geburtsschäden nicht mehr in heutigem Umfang erstatten müssen. „Wir müssen die Spirale des immer weiteren Anstiegs brechen“, sagte Gröhe am Mittwoch.
Viele Geburtshelferinnen sehen sich durch die Prämien in der Existenz bedroht. Zahlten Hebammen im Jahr 2004 noch 1.352 Euro für die Versicherung, werden es von Juli an 5.091 Euro sein. Die hohen Prämien betreffen jene rund 3.000 der gut 17.000 freiberuflichen Hebammen, die auch Geburtshilfe leisten. Grund ist, dass bei einer Schädigung des Kindes durch einen Fehler der Hebamme die langfristigen Therapie- und anderen Kosten stark gestiegen sind. Zudem droht ein Verlust des nötigen Versicherungsschutzes mangels Anbietern – das jüngste Angebot gilt nur bis Sommer 2016.
Künftig sollen die Kassen nun Zuschläge zahlen. „Durch den Sicherstellungszuschlag können die betroffenen Hebammen dauerhaft entlastet werden“, so Gröhe. Bekommen sollen ihn Hebammen mit wenigen Geburten. Denn die Kassen gleichen den Prämienanstieg zwar bereits aus – doch mit Zuschlägen je Geburt. Diese Mittel reichen Hebammen mit wenigen Geburten nicht aus, um ihre Versicherung zu zahlen. Das sind oft Hebammen auf dem Land. Ihre Zahl sei unbekannt, sagte Gröhe.
Um die Versicherungsprämien zu senken, will Gröhe auch eine Begrenzung der Regressmöglichkeiten der Kranken- und Pflegeversicherung prüfen. Heute können sich Kassen Behandlungskosten nach einem Geburtsfehler von der Hebammenhaftpflicht zurückerstatten lassen. Ein Verzicht darauf, so das Kalkül, würde zu sinkenden Prämien führen. Die Regressforderungen machten 20 bis 30 Prozent der Schadenssumme aus, so Gröhe. Zudem soll es Vereinbarungen zwischen Kassen und Hebammen geben, um deren Qualität zu sichern.
Das Thema gilt in der Koalition als sehr sensibel. Die Hebammenorganisationen haben viel Sympathie in der Bevölkerung erlangt, auch wenn die Hebammen sehr unterschiedlich betroffen sind. Es gibt auch Hebammen mit vielen Geburten, die mit dem Geld der Kassen für die Versicherungsprämien gut auskommen.
Gröhe erntete gemischte Reaktionen. Der Sprecher des Krankenkassenverbands, Florian Lanz, stellte klar: „Wir haben kein Verständnis.“ Die Präsidentin des Deutschen Hebammenverbands, Martina Klenk, verlangte, Gröhe solle die Einrichtung eines steuerfinanzierten Fonds prüfen. Der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft, Jörg von Fürstenwerth, reagierte hingegen positiv.