: Tote Seite wegen Bayer
Am Montag wurden die Server der Einkaufsnetz-Homepage von Greenpeace abgestellt. Die Bayer AG wollte Protest-E-Mails gegen Gen-Reis stoppen
VON ELISABETH SCHERER
„Server nicht gefunden“ – wer Anfang der Woche auf den Internetseiten des Greenpeace-Einkaufsnetzes nach Verbrauchertipps und Protestaktionen suchte, tat dies vergeblich. Der Chemiekonzern Bayer AG soll die Seite laut Greenpeace gesperrt haben. „Ein einschüchternder Anruf von Bayer bei der Firma, auf deren Server die Seiten liegen, genügte“, erklärt Greenpeace-Sprecherin Ulrike Brendel. Offenbar war Bayer genervt: Hunderte von Protest-E-Mails gegen Gen-Reis hatten das Postfach des Bayer-Vorstandsvorsitzenden Werner Wennig geflutet.
„Wir haben die Website nicht sperren lassen“, erklärte indes ein Bayer-Sprecher. Dies sei auch rechtlich gar nicht möglich. Kontakt mit dem Server-Betreiber habe es allerdings gegeben: „Wir haben dort recherchiert.“
Diese „Recherche“ sah laut Betreiberfirma so aus: Ein Mitarbeiter der Bayer-Konzernsicherheit habe am Montag kurz vor 18 Uhr angerufen und von „massiven Spam-Angriffen“ berichtet, die „unseren kompletten Betrieb lahmlegen“. „Wir wussten nicht, dass es nur um ein Mailpostfach ging“, erklärt ein Sprecher des mittelständischen Server-Betreibers. Da es kurz vor Feierabend gewesen sei und die „Konzernsicherheit“ den Fall als Attacke auf ihr System schilderte, habe man abgeschaltet.
„Wir haben das erst 15 Stunden später erfahren“, erklärt Ulrike Brendel. Verwunderte Aktivisten hatten bei Greenpeace angerufen, weil sie die Seite nicht erreichen konnten. Brendel zeigt sich empört: „Anstatt die Ablehnung der Verbraucher gegen Gen-Reis ernst zu nehmen, nutzt Bayer seine Macht auf diese Weise aus.“ Die Server-Betreiber sehen aber auch eine Teilschuld bei den Umweltschützern: „Bevor Greenpeace so eine Aktion startet, sollten sie uns besser Bescheid geben.“
Der Streit zwischen Bayer und Greenpeace begann mit den jüngsten Funden von Gen-Reis. In Supermarktregalen in ganz Deutschland sind seit September Packungen mit Spuren gentechnisch veränderten Langkornreises entdeckt worden. Bayer hatte die neue Sorte LL 601, die gegen Unkrautvernichtungsmittel resistent sein soll, zwischen 1999 und 2001 auf Versuchsfeldern in den USA getestet. Die Versuche wurden jedoch eingestellt, das Produkt nie für den Markt zugelassen. Trotzdem ist der Gen-Reis nun bei den Verbrauchern angekommen.
In den E-Mails der Greenpeace-Aktivisten kann der Bayer-Vorstandsvorsitzende jetzt lesen: „Ihre Firma hat offensichtlich völlig die Kontrolle über gentechnisch veränderten Reis verloren.“ Bayer sieht das offenbar anders – in den USA hat der Konzern einen Antrag auf Zulassung von LL 601 gestellt, in Europa will er die Genehmigung für die Gen-Reis-Sorte LL 62.
Die Einkaufsnetz-Seite ist schon seit Dienstag wieder online. Für die Protest-Mails allerdings musste ein neuer Absender gefunden werden: Bayer hat einen Filter aktiviert und fängt alle Nachrichten, die vom Einkaufsnetz kommen, ab. Derzeit gibt es den Gen-Reis-Protest daher auf der Greenpeace-Hauptseite. Bayer könnte eine der letzten Firmen sein, die sich im Einkaufsnetz verfangen hat: Wie letzte Woche bekannt wurde, löst Greenpeace seine Verbraucherorganisation auf – zu teuer war das Projekt, zu wenig Resonanz kam von König Kunde.