PRESS-SCHLAG : Alles Banane
BRASILIEN lm Land der WM wird über Fußball, Promis und Rassismus diskutiert
Was tun mit der Banane? Und sind wir alle Affen? Die anstehende Fußball-WM ist um eine Debatte reicher, und Brasilien ist sich wie sooft uneins, vor allem, wenn es um Rassismus geht.
Zumindest am Anfang bestand noch weitgehend Konsens. Daniel Alves hatte nämlich rassistischen Fans „die Banane gezeigt“, was in Brasilien soviel bedeutet wie „verpiss dich“ oder „fuck you“. Bildlich, aber vielleicht auch missverständlich. Der brasilianische Nationalspieler in Diensten des FC Barcelona hatte am letzten Wochenende anders als gewohnt auf eine Banane reagiert, mit der er beworfen wurde. Er hob sie auf, aß sie und spielte dann unbeirrt weiter.
Schon wenige Stunden später machte die Kampagne „somos todos macacos – Wir sind alle Affen“ in den sozialen Netzwerken Furore. Teamkollege Neymar war der erste, der ein Foto postete, auf dem er gemeinsam mit seinem Sohn eine Banane verspeist. Später wurde jedoch bekannt, dass die Idee von seiner Marketingfirma stammte, die schon am nächsten Tag T-Shirts mit dem markigen Spruch verkaufte. Schauspieler, Fußballer und andere VIPs schlossen sich dem Hype an: Jeder ließ sich beim Essen einer Banane fotografieren.
Dann sprang Präsidentin Dilma Rousseff, im Wahljahr gerade in einem Umfragentief, auf den Zug auf. Ganze 19 Mal sagte sie in einem Gespräch mit Sportjournalisten den Satz: „Wir sind alle Affen“, um dann ihre Botschaft anzufügen: Die WM werde „eine Plattform gegen Rassismus sein“, sogar Papst Franziskus sende bald eine entsprechende Botschaft, und Alves habe mit seiner Geste zu dem „bestürzenden rassistischen Vorfall“ in Europa ganz Brasilien aus der Seele gesprochen. Doch an die alltägliche Diskriminierung der Afrobrasilianer erinnerte sich die Präsidentin nicht.
Rousseff und Neymar ernteten ein Sturm der Entrüstung im Internet. „Von wegen: Alle sind Affen!“, heißt es etwa. „Keiner ist es, und mit Gleichheit hat der scheinheilige Spruch nichts zu tun.“ Vor allem die Schwarzenbewegung ist erbost. Es sei eine typische Kampagne der weißen Mittelklasse, die keinen Schimmer davon habe, was Rassismus bedeute.
Neymar wird vorgeworfen, dass er einst leugnete, schwarz zu sein. „Jetzt macht er auch noch Geld mit einer rassistischen Kampagne, widerlich!“
Es geht um Gleichheit oder Differenz, um die Frage, ob „Affe“ jetzt – wie beispielsweise „Gay“ – in die Liste der umzudeutenden Begriffe eingereiht werden soll. „Der Antirassismus wird in den Dreck gezogen, es ist eine Verhöhnung“, schreibt ein User. „Ihr wollt doch nur Privilegien haben, Quoten und Sonderbehandlungen“, kontert der nächste.
Es überwiegen ernsthafte Argumente. Das Problem sei, dass der „Wir sind alle Affen“-Spruch eine zweifelhafte Gleichheit unterstellt, obwohl es doch darum gehe, die Unterschiedlichkeit von Menschen zu diskutieren. „Verschieden zu sein, ist normal. Anormal ist, indifferent zu sein. Und übrigens, keiner von uns ist ein Affe.“
Damit dürfte der Punkt getroffen sein. Gleichmacherei hat noch nie zur Überwindung von Diskriminierung beigetragen. Schon gar nicht, wenn Prominente Missstände kritisieren, ohne sich dem Problem stellen zu müssen. Affen, das weiß natürlich auch die Marketingfirma von Neymar, sind höchstens Kuscheltiere, aber bestimmt keine Identifikationsfigur für diejenigen, die in Brasilien rassistischer Polizeigewalt ausgesetzt sind. Einen Zweck hat die Kampagne jedoch bereits erfüllt: das Image der WM wenigstens ein bisschen aufzupolieren. ANDREAS BEHN