: Eier im linken Schuh
Der „Ski in a day“-Spezialkurs am badischen Feldberg verspricht sicheres Skifahren an einem Tag – ein Selbsttest. Abends um fünf sitzt der Parallelschwung – dem kleinen Carving-Ski sei Dank
VON MANUELA MÜLLER
Skifahren lernen an einem Tag? Und das als blutige Anfängerin? Der Crashkurs „Ski in a day“ in Feldberg-Grafenmatt hält, was die Schneesportschule Thoma verspricht: Binnen Tagesfrist sind blaue Pisten mit Hilfe drehfreudiger Carving-Ski im Parallelschwung zu meistern – etwas Mut und Gottvertrauen vorausgesetzt.
Mit einer Portion Lust am Abgrund erreichen fast alle Kursteilnehmer das Lernziel ohne Probleme, so die Erfahrung von Skilehrer Robin Schimmele. Außerdem braucht es Vertrauen und Ruhe – das ist das Wichtigste am Ganzen. Die ansonsten nicht sehr mutige Testerin will das gerne glauben. Das von Schulchef Gundolf Thoma konzipierte Tagestraining beginnt zudem ganz spielerisch: In flachem Gelände mit einem Bein – und das auf einem Hauch von Brett. Als Ski kann man die 60 Zentimeter langen Dinger kaum bezeichnen, auf denen es nun zu gleiten gilt. Mit den Stöcken Schwung holen, Gewicht aufs rechte Bein verlagern und möglichst lange rutschen. Einmal, zweimal, dreimal, bis der Körper nicht mehr wackelt. Dann der linke Fuß. „Wunderbar, das sitzt“, befindet der Trainer, und verpasst der Testerin den zweiten Ski. Nächster Lernschritt: Parallelschwung. „Jetzt schon?“, werden sich alle fragen, die dereinst in unbequemer Grätsche tagelang Idiotenhügel pflügten.
Eben das ist das Besondere an „Ski in a day“: Parallelfahren von Anfang an. Dem Carving-Ski sei Dank. Weil die Bretter wesentlich kürzer, weicher und anders geformt sind als früher, drehen die Ski viel leichter. Zudem kommt der minimale Wendekreis der ungeübten Testerin sehr zugute. Obwohl die Schwünge im Flachen recht schnell und sicher gelingen, braucht sie viel mehr Raum als der elegant wedelnde Skilehrer. Am Babyhang kein Problem. Doch oben auf der Piste reicht die gewalzte Bahn nicht aus: Knapp vorbei ist auch tief drin im weichen Puder. Was tun? „Ruhig bleiben, Oberkörper nach links, linkes Knie nach rechts, Innenkante des Talskis belasten.“ „Welche is ’n das?!?“ „Wohin mit den Armen?!?“, streiten zwei innere Stimmen, während sich alle Fasern des Körpers spannen, um die aufrechte Haltung zu wahren. Leicht verdattert bremst die Beinahe-Bruchpilotin vor dem Maestro.
Nach kurzem Lob fürs Krisenmanagement, gibt’s Tipps, wie solches künftig zu vermeiden ist. „Das A und O beim Skifahren ist die Ruhe“, vernimmt die beunruhigte Testerin. Nicht nur das Gemüt, auch die Arme sollen ganz „OM“ und vorne bleiben – etwa so, als trüge man ein beladenes Tablett von einer Seite der Piste mit allen Gläsern drauf zur anderen. Dieses Bild hilft. Mit dem Tablett im Kopf geraten die Schwünge gezielter und enger. Das macht Lust auf mehr.
Nach der Mittagspause dann der Umstieg auf die normalen Carving-Ski. Auch diese mit 1,40 Meter sehr kurz. Der Unterschied im Fahrverhalten ist trotzdem enorm. Beim Eingewöhnen am Idiotenhügel entgeht der Fotograf nur knapp dem Unfalltod. Herzrasen. Adrenalinstoß. Kurz darauf die nächste Liftfahrt. Auf dem Weg nach oben redet der Trainer beruhigend auf die Schülerin ein. „Vor der Kurve Oberkörper wie im Gipskorsett nach außen lehnen, Knie derselben Körperseite nach innen drücken. In den Schuh der anderen Seite Eier denken, sprich Ski entlasten. Arme ruhig und rum.“ „Na klar. Wenn’s mehr nicht ist“, denkt die Testerin. Mit der Schokoladenseite geht das wunderbar. Die nächste Rechtskurve liegt bedenklich nah am Abgrund. Immerhin: Die erste Abfahrt mit richtigen Ski glückt ohne Sturz. Doch dann die Feinheiten: Vor der Kurve in die Knie gehen, Stock rechts einstecken, Eier in den rechten Schuh – „War das nicht vorhin anders?“ – Oberkörper strecken und ums Metall herumfahren. Spätestens da hat die Testerin einen Knoten im Kopf und die Eier im falschen Schuh, während die Arme heftig rudern. Huppala. Der erste Sturz. Nichts passiert, doch Aufstehen mit Brettern und Betonklötzen an den Füßen will gelernt sein. Der Lehrer wirft sich solidarisch in den Schnee. Mit grazilem Stockeinsatz schwingt der große, kräftig gebaute Mann federgleich nach oben. Ganz einfach.
Nicht für die Testerin. Liegestütze seitwärts sind außerhalb des Machbaren. Eine an den Skisport adaptierte Maikäfermethode bleibt bei den weiteren vier Stürzen das Mittel der Wahl. Nicht elegant, doch effektiv. Manch anderer Schüler komme ohne Abschnallen gar nicht auf die Füße, so Schimmele. Aber nein, da hat frau Ehrgeiz. Das letzte Stück der blauen Piste wedelt die Testerin sturzfrei und schon recht vorzeigbar hinunter. Abends um fünf beherrscht sie nach zwölf Abfahrten den Parallelschwung ziemlich sicher, meist mit Stock- und Knieeinsatz.
Auch das Bremsen funktioniert. Sei’s im Schneepflug oder Seitschwung. Letzterer suboptimal, doch ausbaufähig. Wichtigste Erkenntnisse des Tages: Mit der nötigen Ruhe kommt man auch durchs größte Chaos. Und: gekonntes Abfahren macht glücklich. Der nächste Ausflug in den Schnee wird daher auf die Piste gehen. Denn Skifahren lernt man nur durchs Skifahren, wie Schimmele es treffend auf den Punkt bringt.
„Ski in a Day“: Prospekt und Preisliste im Internet unter www.thoma-skischule.de, Kontakt: Gundolf Thoma, Tel. (0 76 76) 93 34 44