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Archiv-Artikel

Polizei kämpft nun mit offenem Visier

ENTSCHEIDUNG Nach dreißig Jahren ist klar: Ab 1. Januar müssen sich Berlins Polizisten kennzeichnen. Berlin ist damit bundesweit Vorreiter. Bürgerrechtler sprechen von einem Fest, Gewerkschaften von einem schwarzen Tag

VON PLUTONIA PLARRE

Seit Jahrzenten haben Bürgerrechtler dafür gestritten, dass Berlins Polizistinnen und Polizisten an ihren Uniformen Namens- oder Nummernschilder tragen. Nun endlich ist es so weit. Am 1. Januar 2011 wird eine entsprechende Dienstanweisung von Polizeipräsident Dieter Glietsch in Kraft treten. Mit dieser Regelung ist die Hauptstadt bundesweit Vorreiter.

Allerdings können die 18.000 Uniformträger selbst entscheiden, ob sie dem Bürger mit ihrem Namen oder einer fünfstelligen Kennziffer gegenübertreten wollen. Die Polizeigewerkschaften, die das Vorhaben bis zum Schluss erbittert bekämpften, sprachen von einem „schwarzen Tag“.

Eigentlich ist es nicht zu glauben, dass ein kleines Messingschild solche Emotionen entfesseln kann. Der Streit zwischen Befürwortern und Gegnern, der über 30 Jahre währt, hatte schon fast Züge eines Glaubenskriegs. Nicht um den einfachen Streifenpolizisten und Kontaktbereichsbeamten ging es – die meisten tragen schon lange ein Namensschild. Gestritten wurde über die geschlossenen Einsatzhundertschaften, die bei Demonstrationen eingesetzt werden und aufgrund ihres einheitlichen Auftretens kaum unterscheidbar sind. Schläger in Uniform könnten leichter identifiziert werden, wenn sie individuell gekennzeichnet wären, argumentierten die Bürgerrechtler. Linksradikale und feindlich gesinnte Bürger könnten die Beamten und deren Familien ausspionieren und drangsalieren, hielten die Polizeigewerkschaften entgegen.

Erst mit Dieter Glietsch, der seit 2002 Polizeipräsident ist, nahm die Sache Fahrt auf. Glietsch versuchte seine Untergebenen zunächst auf freiwilliger Basis zum Tagen der Namenschilder zu bewegen. Als das nichts fruchtete, erließ er im Herbst 2009 eine verpflichtende Geschäftsanweisung. Da diese mitbestimmungspflichtig ist, mit dem Personalrat aber keine Einigung erzielt werden konnte, wurde die Einigungsstelle eingeschaltet.

Die Entscheidung fiel am Freitag. Den Ausschlag hat laut Hauptpersonalrat der Arbeitsrichter gegeben, der dem paritätisch mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern besetzten Gremium vorsteht. Der Richterspruch entspricht dem Mitte November vorgestellten Kompromiss der Einigungsstelle, den Hauptpersonalrat und Gewerkschaften abgelehnt hatten.

Polizeipräsident Glietsch begrüßte die Entscheidung. „Im demokratischen Rechtsstaat haben diejenigen, die von polizeilichen Maßnahmen betroffen sind, grundsätzlich einen Anspruch darauf, zu wissen, wer in ihre Rechte eingreift.“ Die Möglichkeit der Wahl zwischen Name und Nummer nehme auch Rücksicht auf alle, die Angst vor Missbrauch oder Gefährdung hätten.

Innensenator Ehrhart Körting (SPD) bezeichnete es als „ideologische Schutzbehauptung“, dass Beamte Repressalien ausgesetzt werden könnten. Die geschlossenen Einheiten würden lediglich eine Nummer tragen. Diese werde in einer gesonderten Datei hinterlegt und sei nur für einen begrenzten Personenkreis einsehbar. Körting forderte die anderen Bundesländer auf, dem Beispiel Berlins zu folgen. Dieser Aufforderung schloss sich die Generalsekretärin von Amnesty Deutschland, Monika Lüke, an.

Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Michael Purper, sprach von einem Misstrauensvotum gegen die Polizisten. „Wir werden alle rechtlichen Entscheidungen ausschöpfen, um die Zwangskennzeichnung zu kippen“, erklärte Purper. Der langjährige Vorsitzende der Vereinigung Berliner Strafverteidiger und jetzige Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer, Hans-Joachim Ehrig, dagegen sprach von einem „Festtag“ für die Bürgerrechte. Dem Gewaltmonopol des Staates müsse die Transparenz und Überprüfbarkeit der Handlungen seiner Exekutivbeamten entsprechen. „Diese Balance wird jetzt endlich hergestellt.“