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Archiv-Artikel

Der Hörspiel-Musikantenstadl

Schier endlose Assoziationsketten: Das „Vollplaybacktheater“ lässt Justus Jonas auf Vincent Vega aus „Pulp Fiction“ treffen, und „Drei Fragezeichen“-Chauffeur Morton wird zu Geisterjäger John Sinclair. Wir sprachen mit dem Gründungsmitglied David Becher

taz: Herr Becher, lässt sich Ihr Publikum gerne betrügen?

David Becher: Auf jeden Fall. Eigentlich ist das Vollplaybacktheater die konsequente Fortsetzung von „Milli Vanilli“ und dem „Musikantenstadl“. Der Unterschied ist allerdings, dass sich unser Publikum des Betruges bewusst ist.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, die Hörspiele der drei Fragezeichen in dieser Form zu inszenieren?

Wir hatten in unserer Garage lange Zeit ein altes, schlecht funktionierendes Kassettendeck stehen. Mehr als ein Rauschen war bei Musikkassetten nicht zu hören, nur Hörspiele liefen einigermaßen fehlerfrei ab. Irgendwann konnten wir sämtliche Drei-Fragezeichen-Folgen fast auswendig mitsprechen. Aus einer Partylaune heraus entwickelten wir dann die Idee für das Vollplaybacktheater.

Und dann ging es direkt von der Garage auf die Theaterbühnen?

Nein, eigentlich war das Vollplaybacktheater anfangs ein reines Spaßprojekt, für das nur vier Vorstellungen geplant waren. Doch die Resonanz war so positiv, dass wir uns entschieden, weiter zu machen.

Ihre Inszenierung entfernt sich durch zahlreiche Film- und Musikzitate sehr weit vom Originaltext. Das Theaterstück gleicht einer Reise durch die Popgeschichte.

Das stimmt. Die ersten Vorstellungen spielten wir noch sehr textnah. Wir interpretierten die Charaktere zwar eigenwillig, bewegten unsere Lippen aber getreu dem Originaltext eines einzigen Hörspiels. Heute streuen wir immer wieder assoziative Erinnerungsstücke ein. Wir spielen mit den Klischees und den Charakteren und mixen sogar verschiedene Hörspiele zusammen. In unserer aktuellen Aufführung ist das Alter Ego des Chauffeurs Morton der Geisterjäger John Sinclair. In einer anderen Inszenierung collagieren wir ein Drei-Fragezeichen-Hörspiel mit Edgar Wallace und führen mit einer Vorgeschichte ein, die zur Audiospur einer „Pulp Fiction“-Sequenz erzählt wird.

Die Randbemerkung rückt so immer mehr ins Zentrum. Leidet die eigentliche Geschichte darunter?

Ich denke nicht. Gerade der eigenwillige Rahmen macht die Inszenierung attraktiv. Das Publikum weiß nicht, was es erwartet, das Überraschungsmoment ist groß. Von Vorteil erweist sich auch, dass „Die drei Fragezeichen“ eine Art Ausnahmestellung in der Hörspiellandschaft haben. Sie werden vermehrt von Erwachsenen gehört …

und diese ehemaligen „Kassettenkinder“ kennen den Plot eh schon?

Genau. Das Gros unseres Publikums besteht aus Menschen im Alter zwischen 25 und 35. Die sind mit den drei Fragezeichen aufgewachsen und vor allem mit den frühen Folgen vertraut. Sie haben ihre eigenen Bilder aufgebaut und sehen nun, wie unsere Umsetzung damit korrespondiert oder dem widerspricht.

Gab es denn nie Kritik an Ihrer subjektiven Auslegung?

Von den Hörspielautoren oder Originalsprechern gab es bisher keine negative Kritik. Oliver Rohrbeck (Sprecher von Justus Jonas, Anm.) war sogar sehr begeistert. Die harsche Kritik kommt eher von den älteren, eingefleischten Fans. Wir erhielten vor einiger Zeit mal einen Brief eines Mannes, der höchst erzürnt schrieb, dass wir mit unserer Interpretation all seine Kindheitsillusionen zerstört hätten. Neben seine Unterschrift schrieb er in Klammern sein Alter, 30 Jahre, um nochmal explizit darauf hinzuweisen, dass er schon seit Ewigkeiten Fan ist. Dieser Brief stellt aber die Ausnahme dar.

Wieso ist man mit 30 Jahren überhaupt noch Fan einer vermeintlichen Kinderhörspielserie?

Ich denke, die große Popularität der Hörspiele liegt in der Stringenz begründet. Die Figuren, das Umfeld und die Sprecher wurden seit der ersten Folge wenig bis gar nicht verändert. Die Serie hat zwar ihren „Kinderflair“ behalten, schuf aber ein eigenes Universum, das man problemlos auch ins Erwachsenenalter transportieren konnte.

Momentan sind Sie mit dem Stück „Die drei Fragezeichen und der Teufelsberg“ auf Deutschland-Tour. Was ist das Besondere an der Aufführung?

Wir haben eine exklusive Vorgeschichte geschrieben – „El Diablo und die Rache am Teufelsberg“. Die Geschichte spielt 100 Jahre zuvor, und führt in die Legende um den Teufelsberg ein. Es ist eine Art Westernhörspiel, staubig und dreckig. Und natürlich Vollplayback. INTERVIEW: ANDREAS BOCK

7. 11., Kiel; 8. 11., Lüneburg; 9. 11., Bremen. www.vollplaybacktheater.de