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Archiv-Artikel

„Nicht bloß in der Ecke sitzen“

GESUNDHEIT Peter Ostendorf hat mit anderen Ärzten eine Praxis für Nicht-Krankenversicherte eröffnet

Von FCK
Peter Ostendorf

■ 75, war Chefarzt der inneren Abteilung im Marienkrankenhaus und holte die Kernspintomografie nach Hamburg.

taz: Herr Ostendorf, andere in Ihrem Alter gehen in Rente, Sie eröffnen eine Praxis. Wieso?

Peter Ostendorf: Ich mache das ja nicht alleine. Wir sind insgesamt 19 Ärzte, Darunter Internisten, Gynäkologen und Hals-Nasen-Ohren-Ärzte, alle ehrenamtlich. Ich fühle mich noch nicht so alt, dass ich nur spazieren gehen möchte. Ich habe durch die Medizin so viele gute Dinge erfahren, da fand ich es reizvoll, etwas zurück zu geben.

In Schleswig-Holstein gibt es schon mehrere Praxen ohne Grenzen. Wieso jetzt in Hamburg?

Ich bin in Hamburg ansässig und habe von den Behörden und den anderen Praxen gehört, dass es in Hamburg einen großen Bedarf für so ein Projekt gibt.

Können die Menschen von Ihnen denn auch Medikamente bekommen?

Das ist ein Problem: Erfreulich ist, dass wir von einer ärztegenossenschaftlichen Einrichtung Medikamente bekommen und die sind zum Großteil kostenlos. Den anderen Teil müssen wir versuchen selber zu finanzieren, zum Beispiel durch Sponsoren oder Spenden.

Eigentlich muss der Staat Flüchtlinge medizinisch Versorgen. Treten Sie da ein, wo der Staat versagt?

Zunächst einmal leben diese Menschen hier und wenn diese Praxen nicht währen, hätten die keinen Ansprechpartner. Der Staat hat die Notwendigkeit eingesehen, inzwischen ist das Problem an den Staat herangekommen. Das hat aber gut zehn Jahre gedauert. Der Staat hilft ja schon mit den Clearingstellen. Ich finde es ist gut, wenn in einer Zivilgesellschaft ein Engagement von den Bürgern ausgeht. Wir können ja nicht immer nur nach dem Staat rufen und in der Ecke sitzen. Es tut dem Bürger selber auch gut, wenn er sich auf ehrenamtlicher Basis beteiligt.

Haben Sie Angst vor Sozialschmarotzern, also Menschen die Ihre Praxis nutzen, sich aber eine normale Behandlung leisten könnten?

Das hat mich die Behörde auch gefragt, als ich das erste Mal da war. Für die papierlosen Ausländer gilt das natürlich nicht. Auch nicht für die EU-Bürger, die noch keinen versicherungspflichtigen Arbeitsvertrag haben, also hauptsächlich Rumänen, Bulgaren und Polen. Das gilt am ehesten für die Gruppe der Deutschen, die in der Insolvenz landeten und jetzt keine Krankenkasse mehr haben. Es kann hier und da sicherlich vorkommen, dass sich Leute ohne Bedarf bei uns anstellen. Aber das kann uns ja nicht davon abhalten, an die großen, bedürftigen Gruppen zu denken. INTERVIEW: FCK