: „In der Regel sind das Billigjobs“
Die Backpackerbranche boomt, sagt Hostelmitarbeiter Jan Suerken. Gut dotierte Jobs gibt es kaum. Berlin gilt als unglaublich günstig
taz: Herr Suerken, in Berlin gibt es mittlerweile über 60 Hostels für Backpacker. Die Branche boomt?
Jan Suerken: Das kann man so sagen. Die Leute haben generell weniger Geld zur Verfügung, und das ist eine günstige Alternative zu reisen. Außerdem ist es für junge Menschen zwischen 20 und 30 eine optimale Möglichkeit, viel zu erleben. Backpacking an sich ist ja schon alt. Die Leute, die das machen, sind ein bestimmter Menschenschlag
Sind Rucksacktouristen ein großer Wirtschaftsfaktor für Berlin?
Die Masse macht’s. Der Einzelne will sparen, der lässt in Berlin nicht viel Geld.
Was zeichnet den klassischen Rucksackreisenden noch aus?
Er will ein sauberes Bett zum Schlafen haben. In einem Zimmer mit anderen zu nächtigen stört ihn überhaupt nicht. Es gibt auch Einzel- oder Doppelzimmer, die kosten allerdings mehr.
Wie groß ist die Preisspanne der Hostels, bezogen auf die Betten?
Das ist sehr unterschiedlich. Ein Platz im Mehrbettzimmer kostet zwischen 12 und 18 Euro, ein Einzelzimmer zwischen 30 und 50 Euro.
Im Internet gibt es auch Angebote für 8 Euro.
Das sind aber Lockvogelangebote, einzelne Betten, die man freischaltet, um in Suchlisten weit oben aufzutauchen. Das ist wie bei den Airlines, es gibt zwei, drei superbillige Tickets, um eine gute Position zu kriegen. Der Rest ist teurer.
Womit verbringt der Backpacker seine Zeit in Berlin?
Ein Backpacker hält sich im Durchschnitt drei bis vier Tage in Berlin auf. Er will Kontakt zu anderen Backpackern haben. Ein guter Aufenthaltsraum in den Hostels ist wichtig, und er will viel sehen von der Stadt.
Was interessiert ihn besonders?
Walkingtours werden oft nachgefragt. Dafür gibt es verschiedenste Anbieter. Zum Bespiel das alte Berlin oder Berlin zur Nazizeit. Ansonsten erkundet er allein die Stadt. Backpacker gehen nicht so viel in Museen oder machen Bootsrundfahrten. Es geht ihnen mehr darum, Atmosphäre zu spüren. Die Club- und Musikszene ist extrem beliebt.
Was verdienen einfache Angestellte wie Sie in der Branche?
In der Regel sind das Billigjobs. Studenten, die nebenher ihre Uni machen. Geringfügig Beschäftigte nennt sich das. Gut Geld verdienen tun vielleicht die Betreiber, aber nicht die Angestellten. Durch die hohe Arbeitslosigkeit sind Arbeitssuchende bekanntlich nicht in der besten Lage. Und man muss zeitlich flexibel sein.
Gibt es im Backpacker-Geschäft so was wie eine Saison?
Es gibt Phasen. Im Frühjahr kommen hauptsächlich Nordeuropärer nach Berlin, im Spätsommer Südeuropäer. Die Asiaten, Amerikaner und Australier kommen das ganze Jahr. Im Winter kommen insgesamt aber deutlich weniger Gäste.
Sind das alles Weltenbummler?
Das würde ich nicht sagen. Meistens sind es Leute, die sich einfach mal Europa angucken wollen. Berlin ist eine typische Durchgangsstation. Die meisten fahren weiter nach Dresden oder Prag. Oder in die andere Richtung nach Hamburg. Berlin liegt auf einer richtigen Trasse.
Wie reden die Leute denn über Berlin?
Berlin ist wahnsinnig beliebt. Wir bekommen extrem viel positives Feedback. Die meisten sind total beeindruckt von der Größe der Stadt und der Offenheit der Menschen. Sie wollen unbedingt wiederkommen.
Was hören Sie über das Preis-Leistungs-Verhältnis der Stadt?
Unglaublich günstig.
Dann könnte man auch den Slogan verwenden: billig, aber sexy?
Durchaus. Die Leute wundern sich vor allem über die günstigen Preise für Lebensmittel und Übernachtung.
Kann man in den Hostels auch selbst kochen?
Viele Hostels stellen eine Küche zur Verfügung. Aber der Trend geht dahin, das abzubauen.
Warum?
Alle wollen die Küche benutzen, aber keiner macht seinen Dreck weg. Die Hostels sind es leid, den Leuten immer alles nachzuräumen.
Gibt es Erfahrungswerte, wann der Rucksack gegen den Rollkoffer eingetauscht wird?
Nein. Wer einmal so reist, macht es immer wieder. Vielleicht auf eine andere Weise, vielleicht auch weniger, weil man nach dem Ende des Studiums nicht mehr so viel Zeit hat. Aber ein klassischer Backpacker wird nie zum klassischen Pauschaltouristen. INTERVIEW: PLUTONIA PLARRE