: Smells Like Punk Spirit
PUNK-FILMFEST Riot-Grrrl, Hausbesetzer, Punks in Mazedonien und Beijing, Pippi Langstrumpf – das „Too Drunk To Watch“-Festival im Moviemento zeigt ein breites Panorama Punk-affiner Filme
Ohne sie gäbe es kein „Smells Like Teen Spirit“: Kathleen Hanna war es, die Kurt Cobain auf die den legendären Titel brachte, indem sie eines Abends besoffen „Kurt smells like Teen Spirit“ an Cobains Wohnungswand sprühte, weil er so nach dem Parfum seiner Freundin stank. Zum Glück blieb das nicht ihre einzige Heldinnentat.
Die Doku „The Punk Singer“ zeichnet ein Porträt von Kathleen Hanna entlang ihrer Bands Bikini Kill, Le Tigre und The Julie Ruin. Am Samstag ist der Film im Rahmen des „Too drunk to watch“-Punk-Filmfestivals im Moviemento zu sehen.
Als Studentin in Olympia (Washington) Anfang der 1990er Jahre hatte Hanna die Schnauze voll: vom Machogehabe der Männer, davon, dass so viele ihrer Freundinnen sexuell belästigt wurden, von Alltags-Sexismus und von einer Punkrock-Szene, die Mädchen ausschloss.
Sie bekam das Angebot, in einer Band zu singen. Die Gründung von Bikini Kill legte den Grundstein für eine Bewegung, die bis heute ihre Spuren in popfeministischen Diskursen hinterlässt: Riot Grrrl.
In „The Punk Singer“ kommt Hanna selbst zu Wort, dazu viele ihrer WeggefährtInnen wie JD Samson (Le Tigre, MEN) oder Kim Gordon (Sonic Youth). Alle sprechen davon, wie viel Strahlkraft Hanna hat, wie sie dem Macho-Getue im Punk einen Tritt verpasst hat und wie sie Tabu-Themen wie Vergewaltigung oder Abtreibung im Punk ansprach. Hannas Ehemann Adam Horovitz (Beastie Boys) erzählt, wie er erst mal vom Feminismus überzeugt werden musste. Auch Hanna beschäftigt sich im Interview damit, wie das zusammengehen kann, Feministin sein und eine Beziehung zu einem Mann führen. Manchmal ist Liebe tatsächlich die Antwort auf weltbewegende Fragen.
Vor fünf Jahren verabschiedete Hanna sich von der Bühne. Sie litt an Lyme-Borreliose, einer schweren Krankheit, die ihr Nervensystem beeinträchtigte und ihr die künstlerische Arbeit sehr schwer machte. In „The Punk Singer“ äußert sich Hanna das erste Mal öffentlich dazu.
Das „Too drunk to watch“-Punkfilmfestival findet zum dritten Mal statt. Veranstalter Corny Schulz von F.A.M.E.D. Records hat sich langsam etabliert. Musste er in den ersten Jahren „graben, um passende Filme zu finden“, wie er sagt, schicken ihm nun auch FilmemacherInnen und Verleihe Vorschläge für das Programm. Das ist punk, also bunt gemischt ohne Schwerpunkt, Hauptsache, die Filme beschäftigen sich mit Punk.
Da ist zum Beispiel „The Heart of Bruno Wizard“, ein Dokumentarfilm über den Sänger der früheren Rejects, die sich später in The Homosexuals umbenannten. Der Film wird am 9. Mai wiederholt.
Neben einer Dokumentation über Punks in Mazedonien („Punk’s not dead“), drei Filmen aus Kanada (u. a. „The last Pogo“), einem Porträt der Pekinger Punkszene („Beijing Bubble“) und zahlreichen weiteren Kurz- und Spielfilmen und Dokumentationen aus aller Welt ist auch deutscher Punk ein Thema.
Die Dokumentation „Mia san dageng“ beschäftigt sich mit der Szene in München. Obwohl mit Katz Seger eine Frau im Regie-Team dabei ist, zeigt sich im Film sehr deutlich, wie stark männlich dominiert die Punk-Szene auch in Bayern gewesen zu sein scheint. Es dauert eine geschlagene halbe Stunde, bis Katz Seger und ihre Freundin Besen-Petra zu Wort kommen. Vorher sind (männliche) Mitglieder von Münchner Bands wie Condom oder Pack zu sehen. Dabei sind die Beiträge der Frauen über die Möglichkeiten des Punk (sich gegen gängige Schönheitsideale zu stellen) definitiv spannender als die vielen „Weißt du noch, damals?“-Erzählungen ihrer männlichen Kollegen.
Am Sonntag nach „Die Ex bin ich“ stellt sich die Regisseurin Katrin Rothe dem Publikum zur Diskussion. Am gleichen Tag läuft „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, die Mainzer wird geräumt“, ein Teil der Einnahmen der Vorführung geht an das Projekt „Zwangsräumungen verhindern“. Vor einigen Filmen gibt es Kurz-Akustik-Gigs von Punkbands.
Und früh übt sich, was später punk sein will: Im Vormittags- bzw. Nachmittagsprogramm vermitteln Filme wie „Momo“ und „Pippi Langstrumpf“ den jüngeren BesucherInnen non-konformistische Werte.JULIA BRUMMERT
■ „Too drunk to watch“-Festival: Moviemento, Kottbusser Damm 22, 8.–11. Mai, Infos und Programm: toodrunktowatch.de