LESERINNENBRIEFE :
Heilende Erfahrungen
■ betr.: „Ich will alles rausschreien“, sonntaz vom 28. 11. 10
Ich kann nur hoffen, dass Nadja Benaissa in der Realität nicht so naiv und wirklichkeitsverachtend rüberkommt, wie Sie in Ihrem Interview evozieren. Nunmehr wünsche ich Frau Benaissa beim Ableisten ihrer Bewährungsauflage von 300 Stunden in einem Hospiz die Erkenntnis, dass das individuelle Schicksal höchst differenziert zu betrachten ist, so wie Menschen eben individuell sind – erkrankt oder nicht oder gar im Sterben liegend. Hierbei reicht es nicht, sich hinter der eigenen Erfahrung und Erkrankung zu verstecken. Ich bin mir sicher, Frau Benaissa wird diese Chance erkennen, echte Hilfe leisten und heilende Erfahrungen während dieser Bewährungszeit erleben. Frau Schwabs impliziter Opferdiskurs hingegen ist frauenverachtend und reduziert Frau Benaissa zu einer kleinen Nadja, die im Grunde keinerlei Verantwortung für ihre Geschichte übernimmt. RAINER JOOSS, Freiburg
Es war ein politischer Prozess
■ betr.: „Ich will alles rausschreien“, sonntaz vom 28. 11. 10
Vielen Dank für dieses super Interview. Weil Themen angesprochen wurden, die in Verbindung stehen. Und weil Raum da war für das ganz Persönliche. Frauen und HIV ist nach all den Jahren immer noch ein Thema am Rande. Frauen, die in festen Beziehungen mit Männern leben und angesteckt wurden. Frauen, deren Partner heimliche Freier sind, die ohne Schutz erst mal die Prostituierte gefährden und dann die Partnerin anstecken. Oft vertuscht und isoliert, auch jenseits der 60 leben diese Frauen. Mich hat auch aus diesen Gründen die gewalttätige Berichterstattung über den Prozess gegen Nadja Benaissa inklusive des Outings sehr wütend gemacht. Es war ein politischer Prozess. Mich freut es, dass dies im Artikel auch so genau rüberkommt – das Politische daran. BEATRIX BOESCH, Hamurg
Schonungslose Ehrlichkeit
■ betr.: „Und der Anschlag wird kommen“, Gesellschaft + Kultur vom 26. 11. 10
Vielen Dank für Ihre schonungslose Ehrlichkeit. Mir ist das Frühstücksbrötchen im Hals steckengeblieben. Aber genau solche Texte setzen einen menschlichen Kontrapunkt zum bürokratisierten Umgang mit Terror, Tod, Gewalt und Leid. Das ist nicht schön zu lesen, aber manchmal ist es heilsam, aus dem alltäglichen Nachrichten-Konsum-Trott gerissen zu werden. Und schlucken zu müssen.
IRIS MEYER, Hannover
Den Spatzen zugucken
■ betr.: „Und der Anschlag wird kommen“, Gesellschaft + Kultur vom 26. 11. 10
Liebe Anja Maier! Sie haben mein tiefes Mitempfinden, und ich möchte Ihnen raten zu fasten. Und zwar Medienfasten! Sie laufen sonst Gefahr des Burn-outs, weil Sie sich bei Beschäftigung mit diesen dunklen Seiten des Menschseins ständig traumatisieren – also erst mal weg davon! Kein TV, kein Radio, keine taz, kein Internet, kein Handy, kein Telefon! Lassen Sie sich zur Not zwei Wochen krankschreiben und nehmen Sie Abstand von Ihrem selektiven Blick auf die Welt. Rekonstruieren Sie sich Ihre Oase mit allem, was Ihnen guttut und Sie nährt! Schokolade, Wärmflasche, Gartenzeitschriftenlesen und Kochbücher, den Spatzen zugucken, aber keine Medien! Anteile meiner Oase. Hilft mir immer wieder ins Gleichgewicht zu kommen und den Tunnelblick und die energetische Negativspirale wieder aufzugeben. MARITA BLESSING, Delmenhorst