RWE flirtet mit Gazprom

Kommunen in NRW wollen ihre RWE-Aktien an den Gasförderer Gazprom verkaufen. Ein Einstieg der Russen kommt RWE gerade recht: Der Essener Konzern wartet auf billiges Gas

VON MANFRED GÖTZKE

Gazprom heißt das Zauberwort. Kommunen in NRW wollen an der europaweiten Einkaufstour des weltgrößten Gasförderers teilhaben. Sie bieten den Russen ihre Aktienpakete am Energiekonzern RWE an. So will etwa die Stadt Hamm ihr RWE-Aktienpaket so schnell wie möglich verkaufen – gern auch direkt an den russischen Konzern. „Das ist nur eine Frage des Preises“, sagt Stadtkämmerer Jörg Hegemann. Auch Düsseldorf will seine gesamten RWE-Anteile Gazprom verhökern. Die Verkäufe haben Tradition: bereits vor einem Jahr haben Düsseldorf, Kleve und andere nordrhein-westfälische Kommunen RWE-Aktien veräußert, um ihre Haushalte zu sanieren.

Das wäre jetzt gerade richtig: Die RWE-Aktie steht auf Rekordhoch. Düsseldorf etwa könnte 430 Millionen Euro für seinen Ein-Prozent-Anteil an RWE bekommen und damit seine Schulden auf einen Schlag tilgen. Und von Gazprom erhoffen sich die Städte noch bessere Preise für ihre Aktienpakete – immerhin könnte sich das russische Unternehmen so direkt am zweitgrößten deutschen Versorger beteiligen.

Zwar hat Gazprom das Interesse an den kommunalen RWE-Anteilen zunächst dementiert, aber das Unternehmen will in Deutschland investieren. „Es gibt Pläne und Überlegungen, sich an Energieversorgern in Deutschland zu beteiligen“, sagte Andreas Böldt, Sprecher der deutschen Gazprom-Niederlassung, der taz. Langfristig wolle Gazprom ein eigenes Vertriebsnetz in Deutschland aufbauen. Grund für die Expansionsfreude der Russen ist die weltweit hohe Nachfrage nach Erdgas. „Wegen der hohen Weltmarktpreise hat Gazprom sehr viel Geld in der Investitionskasse“, sagt Christoph Weber. Er lehrt Energiewirtschaft an der Uni Duisburg-Essen.

Die kann sich weiter füllen, wenn Gazprom in Zukunft auch Endkunden in Deutschland beliefert. Die Gewinnmargen im Erdgas-Vertrieb sind extrem hoch. Der größte deutsche Versorger Eon Ruhrgas etwa verkauft das Gas für dreimal so viel Geld weiter, wie er es bei Lieferanten wie Gazprom einkauft. Von diesen Margen wollen die Russen in Zukunft selbst profitieren.

Umgekehrt hätte auch RWE etwas davon: Würde Gazprom tatsächlich die Anteile der Kommunen übernehmen und bei RWE einsteigen, kann das nur im Interesse des Essener Energiekonzerns liegen. Denn auch RWE will stärker am lukrativen Gasgeschäft verdienen und dem Marktführer Eon Konkurrenz machen. Anfang des kommenden Jahres will der Konzern die so genannte „Gas-Midstream-Gesellschaft“ gründen. Zweck der Konzern-Tochter ist es, Gas einzukaufen. Und zwar nicht wie bisher beim Konkurrenten Eon, sondern direkt an der Quelle, in Russland oder Norwegen. Eine Kooperation mit dem russischen Lieferanten liegt also auf der Hand.

Um die Ehe mit Gazprom zu schließen ist RWE-Vorstandschef Harry Roels laut Unternehmenskreisen in diesem Jahr bereits zwei mal nach Moskau gereist. Roels soll Gazprom eine Beteiligung bei RWE angeboten haben. Der Essener Energieriese wollte im Gegenzug zu attraktiveren Konditionen Erdgas beziehen. „Eine strategische Partnerschaft könnte aber auch bedeuten, dass RWE etwa an Förderprojekten von Gazprom beteiligt würde“, sagt Energieexperte Christoph Weber.

Nur noch die Politik könnte die ausgeklügelten Pläne der Konzerne durchkreuzen: Ginge es nach der Bundesregierung, würde es dazu auch nicht kommen. Ein Einstieg von Gazprom beim einzigen deutschen Konzern, der mit der Steinkohle über eigene Rohstoffe verfügt, sei politisch unerwünscht zitiert die Neue-Rhein-Zeitung „Regierungskreise“.