vor ort : RALF GÖTZE über das drohende Ende eines alternativen Wohnprojekts in Münster
Ein besetztes Haus soll dem Straßenausbau weichen. Was sich nach einer Szene aus einer Sozial-Romanze anhört, könnte in Münster bald Realität werden. Das erste alternative Wohnprojekt der Universitätsstadt ist zusammen mit zehn weiteren Häusern an der Grevener Straße vom Abriss bedroht. Für die rund hundert BewohnerInnen stehen preisgünstige Mieten in einer Stadt auf dem Spiel, in der immer noch 2.500 Sozialwohnungsberechtigte auf bezahlbare Unterkünfte warten.
„Die ganze Häuserfront soll für eine Neugestaltung des Verkehrsraums neun Meter nach hinten versetzt werden“, fasst der stellvertretende Vorsitzende des Planungsausschusses, Dieter Maager (CDU), den Anfang der neunziger Jahre verabschiedeten Bebauungsplan zusammen. Seitdem hat die Stadt fleißig ein Haus nach dem anderen gekauft – und verfallen lassen. Während nun rund die Hälfte der Wohnungen leer stehen, verbrachten zahlreiche Studierende den Beginn des Wintersemesters in Notunterkünften. Vor dem Schloss baute der AStA Zelte auf, das Borchert-Theater stellte seine Schauspielerzimmer zur Verfügung und Oberbürgermeister Berthold Tillmann appellierte an seine Münsteraner, Studierende zur Untermiete aufzunehmen.
Der städtische Besitz an der Grevener Straße gammelt derweil planmäßig vor sich hin. „Wir dürfen noch nicht einmal die Fassade auf eigene Kosten renovieren“, sagt Heiko Thiele, der in der Nummer 31 wohnt. „Trotzdem haben wir uns vor zwei Jahren für 40.000 Euro neue Fenster gekauft“, ärgert sich seine Mitbewohnerin Valerie Schmitt. Durch zahlreiche Investitionen der Hausgemeinschaft macht das 1972 erst besetzte und danach selbst verwaltete Eckhaus mit dem auffälligen Erker keinen abrissreifen Eindruck. In den letzten zehn Jahren wurden Heizung, Dach und Stromverkabelung erneuert. Dabei zahlen die 17 HausbewohnerInnen nur Mieten zwischen 80 und 110 Euro. Zwei Drittel sind Nebenkosten – ein Drittel für das Instandhaltungskonto. „Zu solch einem Niveau könnte man in Münster wohnen, wenn Engagement zugelassen wird und die Rendite außen vor bleibt“, erklärt Thiele. Schließlich habe die Stadt seit mehr als dreißig Jahren keinen Cent mehr in das ehemalige Kreiswehrersatzamt gesteckt.
„Aufgrund des Zustandes des Eckhauses kann ich mir einen Abriss nicht vorstellen“, sagt SPD-Fraktionschef Wolfgang Heuer. „Hier sollte auf einer sehr schmalen Informationsbasis eine ziemlich weitreichende Entscheidung lanciert werden.“ Hoffnungsvolle Worte aus dem Mund des sozialdemokratischen Planungsausschuss-Vorsitzenden. Die Grünen sind sowieso gegen den bisherigen Bebauungsplan. Doch CDU und FDP haben in dem Gremium eine Stimme Mehrheit, allerdings noch keine klare Meinung. Die jüngste Beschlussvorlage wurde vorsorglich zurückgezogen und CDU-Wortführer Maager bewertet die Nummer 31 plötzlich als „ein markantes Gebäude für das Straßenbild.“ Bleibt also nur das symbolträchtigste von elf Häusern erhalten? Kein richtiges Happy End für eine Sozial-Romanze.