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Archiv-Artikel

„Politiker hören oft auf Unternehmen“

Um trotz Lobbyinteressen in der Politik noch durchzublicken, rät Experte Ulrich Müller zu großem Misstrauen

taz: Herr Müller, gehören Sie einer Lobby an?

Ulrich Müller: Nicht im engeren Sinne. Wir von Lobby Control setzen uns zwar für Transparenz und Demokratie ein, aber nicht für einzelne politische Inhalte.

Was sind denn Lobbyinteressen?

Zunächst mal kommen alle Gruppen in Betracht, die sich von außen an Politik beteiligen. Problematisch wird es dann, wenn einzelne Interessengruppen sehr stark sind und andere an den Rand drängen.

Das heißt, auch Nicht-Regierungsorganisationen machen Lobbyarbeit?

Ja, sicherlich. Aber hier macht es einen Unterschied, ob sich die Gruppen für das Allgemeinwohl einsetzen oder für Einzelinteressen.

Wie groß ist heute der Einfluss der Wirtschaftslobby auf politische Entscheider?

Der ist sehr groß. Sie schafft es in vielen Fällen ihre Interessen durchzusetzen. Auf der europäischen Ebene hört die Politik sogar oft auf die Unternehmen.

Warum können sich Unternehmen besser verkaufen als andere Organisationen?

Die haben mehr Geld und Personal. Dadurch können sie sich oft mit Entscheidungsträgern treffen und Konferenzen organisieren. In Brüssel gibt es etwa 15.000 Lobbyisten, von denen mehr als zwei Drittel für Unternehmensinteressen arbeiten.

Welche Mittel nutzen die Unternehmen?

Sie haben viele Instrumente, von persönlichen Treffen, Kongressen, Studien, bis hin zu Anzeigen und neuerdings auch Protestaktionen. Dabei geht es nicht immer sachlich zu. Bei der zurzeit diskutierten EU-Chemikalienrichtlinie hat die Chemielobby zum Beispiel mit verzerrten Studien über angeblich hohe Kosten und Arbeitsplatzverluste gearbeitet. Der europäische Chemieverband hat außerdem irreführende Anzeigen geschaltet. Dort kam etwa ein Stoff vor, der durch die Richtlinie gar nicht abgedeckt wird.

Wie kann der Verbraucher da noch durchblicken?

Er kann sich bei verschiedenen Quellen informieren, zum Beispiel bei Verbraucher- oder Umweltschutzorganisationen.

Das heißt, der Verbraucher soll sich bei verschiedenen Lobbys die plausibelste Information heraussuchen?

Um sich gut zu informieren, ist das hilfreich.

Eigentlich sollten Politiker glaubhaft informieren.

Das ist schwierig. Die Politiker sind selbst in die Auseinandersetzung verwickelt. Als Bürger ist man gut beraten, sich ein eigenes Urteil zu bilden.

INTERVIEW: MORITZ SCHRÖDER