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Archiv-Artikel

Irreführung bei Regioprodukten

LEBENSMITTEL Oft versprechen Regionalmarken mehr, als sie halten. Zutaten kommen aus der Ferne

Häufig sind Regionalprodukte teurer als normale

AUS BERLIN ANNA WIEDER

Die Zutaten vieler regionaler Lebensmittel kommen zur Hälfte nicht aus der Region, aus der sie laut Etikett stammen sollen. Nicht einmal bei den öffentlich mitfinanzierten Regionalmarken sei die regionale Herkunft sichergestellt, heißt es in einer Studie, die die Verbraucherzentrale Bundesverband am Dienstag in Berlin vorgestellt hat.

„In Thüringen und Schleswig-Holstein etwa müssen verarbeitete Produkte nur zur Hälfte aus Zutaten regionaler Herkunft bestehen“, sagte Hartmut König, Ernährungsexperte der Verbraucherzentrale Hessen. Er forderte deshalb „eindeutige, am besten einheitliche Vorgaben für die Regionalkennzeichnung“.

„Geprüfte Qualität Hessen“, „Gesicherte Qualität Rheinland-Pfalz“, „Ökoqualität Bayern“ oder „Bewährte Qualität Sachsen“ – derzeit gibt es 14 Länderzeichen in zehn Bundesländern, die häufig von den Regierungen mitfinanziert werden. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa achten 65 Prozent der Verbraucher beim Kauf ihrer Lebensmittel auf die regionale Herkunft. Häufig müssen sie für diese Produkte mehr bezahlen.

Die aktuelle Studie der Göttinger Unternehmensberatung Agrifood Consulting GmbH zeigt aber, dass allen Kennzeichen unterschiedliche Kriterien zugrunde liegen. Das gelte auch für die Qualitätsanforderungen, die sich von Bundesland zu Bundesland unterscheiden. Generell stünden die Länderzeichen nicht für höhere Qualität, sondern erfüllten meist nur den Marktstandard.

„Auch in der Kommunikation der Zeichen besteht Nachbesserungsbedarf“, sagt Studienautorin Anke Zühlsdorf. Mit pauschalen Qualitätsversprechen würden Erwartungen geweckt, von den gekennzeichneten Produkten jedoch nicht erfüllt. Die geltenden Vorschriften für die Vermarktung seien sehr vage. So bestehe die Gefahr, dass übliche Marktstandards als Besonderheit beworben werden, warnen die Göttinger Wissenschaftler.

Zudem würden Kontrollen und Sanktionen bei den Regionalmarken sehr unterschiedlich geregelt. „Das macht es sehr schwer, ihre Wirksamkeit zu beurteilen“, sagt Zühlsdorf.

Außer auf eine verpflichtende Kennzeichnung der Herstellung, Herkunft und einer nachweislich höheren Qualität drängt der Verbraucherzentrale Bundesverband auf eine genaue Definition des Begriffs „regional“. Sonst dürften die Hersteller die „Region“ so weit fassen, dass die Produkte aus hunderten Kilometern Entfernung herangekarrt werden könnten.

Am Dienstag fanden auch Gespräche zwischen Vertretern der Verbraucherzentralen und den Ländern statt. Man hoffe, sich auf gemeinsame Standards einigen zu können, erklärte Stefan Etgeton von der Verbraucherzentrale Bundesverband. Mit konkreten Auflagen für die Kennzeichnung der Produkte sei aber noch nicht zu rechnen.

Auf Anfrage der taz erklärte das Bundesministerium für Verbraucherschutz, es analysiere das Thema derzeit gemeinsam mit der Lobbyorganisation Bundesverband Regionalbewegung. „Bis etwa Ende 2012 soll auf dieser Basis ein überarbeitetes Konzept für eine Kennzeichnung vorliegen“, sagt Ministeriumssprecherin Mareike Enderle.