: Chance für Opposition
Bei den polnischen Lokalwahlen am kommenden Sonntag droht den Regierungsparteien eine schwere Niederlage
WARSCHAU taz ■ Nur wenige Tage vor den polnischen Lokalwahlen am kommenden Sonntag bekommt der Wahlkampf doch noch etwas Schwung. „Düstere Kartelle, schmutzige Spiele. Gewöhnliche Parteien sind hier machtlos. Nur die PiS zerschlägt die Kartelle!“, wirbt die rechtskonservative Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) der beiden Kaczyński-Zwillinge.
Die angebliche Verschwörung zwischen Exkommunisten, Liberalen und der Mafia, die der Partei nach vier von Korruptionsskandalen beherrschten Mitte-links-Regierung die Mehrheit gesichert hatte, soll nun auch auf lokaler Ebene zum Erfolg führen. Doch die Polen schenken diesen Warnungen offensichtlich wenig Gehör. Die PiS und ihre Juniorregierungspartner, so zeigen letzte Umfragen, drohen bei den Lokalwahlen nur halb so viele Stimmen zu bekommen wie die Opposition. Am besten abschneiden dürfte die liberale Bürgerplattform (PO), die als Opposition im Parlament zwar einfallslos ist, sich jedoch offenbar gerade damit als Anti-PiS-Partei etablieren konnte.
Die Polen haben aber von den ewigen politischen Kämpfen so die Nase voll, dass viele Kandidaten als Unabhängige oder unter dem Banner bisher unbekannter Blöcke und Parteien kandidieren. In Großstädten wie Krakau, Warschau und Danzig wird dieser Tage auch der Kampf um die Ehrenrettung der PiS ausgetragen. In dem symbolträchtigen Danzig hat die PiS dabei trotz all dem Geschrei um die Aberkennung der Ehrenbürgerwürde für Günter Grass im August nicht den Hauch einer Chance gegen den heutigen liberalen Stadtpräsidenten Paweł Adamowicz. In Warschau tritt mit Expremier Kazimierz Marcinkiewicz der Sympathieträger der PiS an. Marcinkiewicz hat sich anders als sein Vorgänger Lech Kaczyński, dem heutigen Präsidenten, als kommissarischer Bürgermeister erfolgreich um EU-Gelder gekümmert und wichtige Investitionen in Angriff genommen.
Im Warschauer Stadtrat wiederum dürfte die PO eine absolute Mehrheit gewinnen. Den moralischen Erneuerern der PiS wird damit in der Hauptstadt bald ein rauer Wind entgegenwehen. Laut Umfragen des polnischen Staatsfernsehens TVP wollen über 60 Prozent der Polen an den Lokalwahlen teilnehmen. Die PO kann dabei auf den verschiedenen lokalen Ebenen mit durchschnittlich rund 16 Prozent rechnen. Kaczyńskis PiS muss sich mit rund 12 Prozent zufrieden geben. Die in einer gemeinsamen Liste vereinigten Linken und Demokraten (PD, ehemals: Freiheitsunion) dürfte auf rund 7 Prozent kommen. Die auf Landesebene mit den Kaczyński-Zwillingen verbündete rechtsextreme Polnische Familienliga (LPR) und die radikale Bauernpartei Samoobrona kommen auf 1 bis 3 Prozent. PAUL FLÜCKIGER