: Nachbessern kostet
VORGABEN Die Bahn kündigt an, den Stresstest nicht vor Mitte nächsten Jahres abschließen zu können. Geißler fordert Grünschneise für Stuttgart
Das Bahn- und Stadtentwicklungsprojekt „Stuttgart 21“ bleibt auch einen Tag nach dem Schiedsspruch des Schlichters Heiner Geißler (CDU) heftig umstritten; Gegner und Befürworter des Projektes bewerten die Konsequenzen des Spruchs unterschiedlich.
Geißler hatte gefordert, die Leistungsfähigkeit des künftigen unterirdischen Hauptbahnhofes, der über acht Gleise verfügen soll, in einem sogenannten Stresstest zu überprüfen. Den Test soll die Bahn mit Hilfe von standardisierten Computersimulationen durchführen lassen. Die Bahn kündigte an, dieser Test werde nicht vor Mitte nächsten Jahres abgeschlossen sein.
Geißlers Vorgabe ist, dass der Bahnknoten Stuttgart in der Spitzenstunde im Berufsverkehr 30 Prozent mehr leisten soll als bisher geplant. Dazu sind nach Ansicht Geißlers auch neue Gleise in Erwägung zu ziehen, zum Beispiel zwei zusätzliche Gleise am Hauptbahnhof. Zudem seien eine zweigleisige westliche Anbindung des Flughafen-Fernbahnhofes, eine kreuzungsfreie und zweigleisige Wendlinger Kurve sowie weitere Gleisanbindungen nötig. Die Verbesserungen könnten nach Ansicht der Projektgegner Mehrkosten von bis zu einer halben Milliarde Euro verursachen.
Bahnvorstand Volker Kefer zeigte sich am Mittwoch sicher, dass zwei zusätzliche Gleise am Hauptbahnhof nicht gebraucht würden. Baden-Württembergs Verkehrsministerin Tanja Gönner (CDU) rechnet mit Mehrkosten von 150 bis 170 Millionen Euro. „Das ist vertretbar.“
Im Streit um Kosten und Sinn des Projektes geht ein wichtiges Signal des Schlichterspruchs etwas unter. Geißler fordert nämlich – im Einklang mit Gegnern und Befürwortern des Projekts –, die frei werdenden Gleisflächen der Grundstücksspekulation zu entziehen. Diese Flächen sollen in eine Stiftung überführt werden, die sich ökologischen und sozialen Zielen verpflichtet. Festgeschrieben wird der Erhalt einer Frischluftschneise für Stuttgart. Diese ist für die Schwabenmetropole wichtig, da sie sich in einem Talkessel befindet, der Smog- und Hitzewetterlagen begünstigt. Neue Gebäude sollen zu erschwinglichen Preisen errichtet werden, damit sich auch normale Stuttgarter dort Wohnungen leisten können. Geißler fordert zudem eine „offene Parkanlage“. Kommt es wirklich so, hätte sich der Protest der Stuttgarter in gewisser Weise gelohnt: Der neue Stadtteil würde nicht nach den Interessen von Immobilienhaien gebaut, sondern sich nach den Interessen der Bevölkerung richten. RICHARD ROTHER