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Archiv-Artikel

CHRISTIAN RATH ÜBER EDWARD SNOWDENS WERT ALS ZEUGE Mehr als ein Datenbefreier?

Frei aussagen kann Snowden nur, wenn er einen dauerhaften Aufenthalt in einem sicheren Land hat

Der NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags hat Edward Snowden einstimmig als Zeugen geladen. Das ist ein guter erster Schritt, denn die Einstimmigkeit wäre nicht nötig gewesen. Für die Ladung hätte der Wunsch der Opposition genügt.

Allerdings konnte die Opposition (noch) nicht durchsetzen, Snowden sogleich nach Deutschland zu holen. Das ist nicht verwunderlich, denn bei Verfahrensfragen setzt sich im Ausschuss die Mehrheit durch. Das letzte Wort ist hier aber sicher noch nicht gesprochen.

Kein Zweifel: Ed Snowden hat für seine Enthüllungen über die ausufernde Überwachung seitens amerikanischer und britischer Geheimdienste großen Dank verdient.

Und es ist eine Schande für die westliche Welt, diesen Aufklärer ausgerechnet in Moskau, dem Hort der Gegenaufklärung, schmoren zu lassen. Ganz unabhängig von jeder Aussage vor dem deutschen Untersuchungsausschuss sollte er einen sicheren Aufenthalt in Deutschland oder einem anderen westlichen Staat bekommen, der ihn nicht in die USA ausliefert.

Ebenso klar ist: Snowden kann in Moskau nicht frei aussagen. Bisher steht sein Asyl unter der Bedingung, dass er den USA nicht schadet. Diese Bedingung mutet in der augenblicklichen Ost-West-Konfrontation zwar fast schon skurill an.

Aber niemand weiß, welche Deals hinter den Kulissen laufen und wann Putin einen Vorwand sucht, Snowden loszuwerden. Offiziell endet das Asyl ohnehin im Sommer.

Frei aussagen kann Snowden nur, wenn er einen dauerhaften Aufenthalt in einem sicheren Land hat. Da in der Bundesrepublik das Bedürfnis an Aufklärung am größten ist, läge Deutschland nahe.

Viel hängt jetzt davon ab, dass Snowden seinen Wert als Zeuge belegt oder zumindest andeutet. Hans-Georg Maaßen, der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, ist zum Beispiel sehr skeptisch, was Snowdens Insider-Kenntnisse angeht. Snowden sei nur ein System-Administrator, der zwar umfassenden Zugang zum Computersystem der NSA hatte, aber zum Inhalt der von ihm besorgten Dateien wenig sagen könne. Dies zeige der bisherige Inhalt seiner öffentlichen Auftritte und Interviews. Aus Maaßens Sicht kann Snowden dem Ausschuss allenfalls bestätigen, dass die von ihm besorgten Dokumente authentisch sind.

Ganz anders klingt es, wenn Snowdens Anwalt Wolfgang Kaleck über dessen „einzigartige berufliche Stellung“ spricht. Snowden sei nicht nur „technischer Berater“, sondern auch „operationeller Analyst“ gewesen. Er habe mit „führenden Angestellten der CIA und der NSA“ zu tun gehabt und dabei sogar die „Behördenpolitik“ mitgestaltet.

Snowden wird also in der ersten Anhörung oder in deren Vorfeld einige Kostproben seines exklusiven Einblicks in die NSA-Machenschaften geben müssen, um den skeptischen Teil der Abgeordneten zu überzeugen. Wenn Snowden aber tatsächlich nicht nur Überbringer der NSA-Dokumente war, sondern diese mit tiefem und aktuellem Insiderwissen auch erläutern kann, dann ist er die zentrale Figur des Ausschusses. Dann wird auch eine neue politische Dynamik entstehen, Snowden nach Deutschland zu holen. Die SPD wird dann der ablehnenden CDU/CSU kaum noch den Rücken frei halten wollen.

Und wenn Snowden wirklich vertiefte Kenntnisse über die „Behördenpolitik“ der NSA hat, dann dürften selbst die USA ein Interesse haben, dass Snowden nicht gerade in Moskau bleibt.

Eine Übersiedlung nach Deutschland könnte für die USA so gesehen das kleinere Übel sein. Das wird auch den CDU-Hardlinern ein Einlenken erleichtern.