: Erkundungen unsichtbarer Räume
Robert Barry zählt zu den Begründern der Konzeptkunst. Die Ausstellung „Robert Barry: New and Early Works“, die ab heute in der Galerie Sfeir-Semler zu entdecken ist, bringt frühe Arbeiten und Neues zusammen
Für den 1936 in New York geborenen Robert Barry ist in den späten 60ern das Schönste an moderner Kunst das ihr innewohnende Potenzial zur permanenten Zerstörung ihrer selbst. Die kontinuierliche Herausforderung fundamentaler Glaubenssätze führe im Ergebnis zu einer kontinuierlichen Veränderung dessen, was unter Kunst zu verstehen ist: Kunst und Anti-Kunst verweisen in dieser Perspektive auf ein und dasselbe.
Damals zählte Barry zusammen mit Lawrence Weiner, Joseph Kosuth, Douglas Huebler und einigen anderen Künstlern im Umfeld des New Yorker Galeristen Seth Siegelaub zu den bedeutendsten Vertretern der ersten Generation konzeptueller Kunst. In ihr ist, folgt man der prominenten Definition Sol LeWitts aus dem Jahr 1967, entgegen traditioneller Vorstellungen die Idee oder das Konzept der zentrale Aspekt künstlerischer Arbeit. Die gesamte Planung und alle künstlerischen Entscheidungen finden im Voraus statt, physikalische Manifestation, Konsumierbarkeit und Vermarktung treten hinter der Konzeptualisierung zurück. Die Idee wird zur Maschine, die Kunst entstehen lässt.
Dabei stand auch bei Barry am Beginn die Malerei. Er entdeckte jedoch, dass seine Bilder, abhängig beispielsweise von der Art ihrer Aufhängung, unterschiedlich wirkten und dass sie stets auf eigentümliche Weise mit dem Rand der Leinwand in Verbindung standen – es schien, als wollten sie mit dem umgebenden Raum zusammenfließen. Barry beschloss, sich auf den gesamten Raum einzulassen und ihn in seine Kunst zu inkorporieren. So konzipierte er in den Jahren 1968 und 1969 eine Reihe von Arbeiten für spezifische Räume, deren zentraler Bestandteil die Interaktion zwischen Werk und Raum wurde. Dabei faszinierte ihn der Gedanke, dass auch ein in der Rezeption unsichtbares Werk trotzdem existent sein kann. Barry begann, systematisch physikalische Erscheinungsformen zu analysieren.
Ein Beispiel dafür ist die nahezu unsichtbare Arbeit „Inert Gas“ – der Versuch, ein Material zu benutzen, das nicht wahrnehmbar ist, und mit diesem Material eine Art großer umweltbezogener Skulptur herzustellen. Dazu zerstörte oder öffnete Barry Behälter mit der Atmosphäre entnommenen Edelgasen und entließ diese auf diese Weise wieder in die Umwelt – ein Kunstwerk, das lediglich in der Dokumentation der geöffneten Behälter zu erahnen ist.
Die Ausstellung „Robert Barry: New and Early Works“, die ab heute in der Galerie Sfeir-Semler zu sehen ist, vereinigt Werke aus dieser Zeit mit neueren Arbeiten Barrys. So lassen sich frühe großformatige Leinwandarbeiten aus dem Jahr 1967 entdecken, die mit kleinformatigen neuen Leinwandarbeiten kontrastiert werden. Auf diesen sparsam gehängten Monochrom-Arbeiten finden sich – anders als auf den ebenfalls zu sehenden „Typewritten Pieces“ aus der Frühphase des Barry’schen Schaffens – lediglich einzelne Wörter, die einen mentalen Horizont und einen Raum des Vorstellbaren eröffnen, der über das visuell Erfahrbare hinausgeht. Zu sehen sind aber auch neue Videoarbeiten. So hat Barry während einer nächtlichen Autofahrt durch Paris mit der Kamera aus dem Auto heraus gefilmt. Das ungeschnittene Video wird schließlich zum materiellen Träger – für einzelne Wörter.ROBERT MATTHIES