„Fontane würde sich im Grab umdrehen“

Buhrufe und Pfiffe im Regen: Wie 600 BürgerInnen gegen den NPD-Parteitag im Fontane-Haus demonstrieren

Die Einkaufspassage im Märkischen Viertel in Reinickendorf gleicht einer Festung. An allen Eingängen stehen am Samstagmorgen Gitterzäune, Polizisten kontrollieren die Taschen der Fußgänger. Auf dem Marktplatz drängt sich im strömenden Regen eine bunte Menschenmenge vor den Polizeiabsperrungen.

Keine 30 Meter entfernt, vor dem Eingang des Fontane-Hauses, präsentieren sich um NPD-Chef Udo Voigt die führenden Köpfe der rechten Szene den Fernsehteams und Fotografen. Im Fünfminutentakt kommen neue Gruppen von NPD-Mitgliedern hinzu – jedes Mal begleitet von Pfiffen und Buhrufen.

Beim Blick über den Platz scheint es beinahe so, als ob mehr Politiker als Antifas zu der Kundgebung gekommen seien. Neben Petra Pau (Linkspartei), Volker Ratzmann (Grüne), dem Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde, Gideon Joffe, und Abgeordnetenhaus-Präsident Walter Momper (SPD) beteiligen sich auch Friedbert Pflüger (CDU) und die Bezirksbürgermeisterin von Reinickendorf, Marlies Wanjura (CDU), an dem Protest. Die Ablehnung der Neonazis vereint für einige Stunden die Parteien.

Mit 2.000 Teilnehmern hatten die Organisatoren der „Kundgebung für ein weltoffenes Berlin“ gerechnet. Gekommen sind höchstens 600. Nicht zuletzt das schlechte Wetter und die Verlegung des Parteitags von Mariendorf ins Märkische Viertel hielten viele davon ab, zu der Veranstaltung zu fahren.

„Wenn ich sehe, wie die NPDler hier entlangmarschieren, spüre ich eine Mischung aus Ohnmacht und Wut“, sagt Pierre Traoré. Der 24-jährige Student aus Neukölln war am Morgen nach Mariendorf zur Trabrennbahn gefahren. Als er erfuhr, dass die NPD-Versammlung kurzfristig ins Fontane-Haus verlegt wurde, fuhr er quer durch die ganze Stadt. „Theodor Fontane würde sich im Grabe umdrehen, wenn er wüsste, was sich da für Leute in seinem Haus tummeln“, sagt Anja Gelert, die seit fast zwei Stunden im Regen steht. JOHANNES RADKE