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Archiv-Artikel

Reißbrettexistenzen

„Zwei Engel für Amor“ von David Safier ist ein fader „Berlin, Berlin“-Aufguss – Publikumsliebling wird die Serie wohl trotzdem (18.50, ARD)

VON DAVID DENK

Schlaflos in Berlin: Eine junge Frau zieht ein Transparent unter ihrem Bett hervor und entrollt es. Damit hat Andi ihr damals beim Abi-Streich seine Liebe gestanden. Vorbei. Bald wird er eine andere heiraten. Szenenwechsel. Ein nicht mehr ganz so junger Mann steht vor dem Badezimmerspiegel und durchforstet seine Wuschelfrisur nach grauen Haaren. Im Bett nebenan wartet eine Blondine.

Die junge Frau heißt Kim (Theresa Scholze), der Mann Max (Kai Lentrodt). Sie jobbt in einem Café, er ist Schauspieler. Sie will ihren Freund zurück, er will sie alle. Und, natürlich: So unüberbrückbar, wie ihre Differenzen anfangs scheinen, sind sie letztlich nicht.

„Zwei Engel für Amor“ ist die neue Vorabendserie von Drehbuchautor David Safier, der durch „Berlin, Berlin“ mit Felicitas Woll bekannt geworden ist. Die Ausgangssituation ist ähnlich: Beide Serien beginnen mit dem Ende einer langjährigen Beziehung. Der vermeintliche Mann fürs Leben verliebt sich in eine andere. Und was jetzt?

Die Figurenkonstellation von „Zwei Engel für Amor“ kennt man aus Cop-Filmen wie „Lethal Weapon“. Zwei ungleiche Typen werden vom Schicksal zusammengeführt: Zunächst reiben sie sich aneinander, dann entsteht daraus Wärme: Aus Partnern wider Willen wird ein starkes Team.

Zu Kim und Max spricht das Schicksal aus einem Marmor-Barockengel. Es ist Amor, der Gott der Liebe, von Venus wegen notorischer Faulheit in diese Kitschstatue verbannt. Damit er wieder rauskommt, müssen andere seinen Job erledigen: Kim und Max. Amors Gegenleistung: Kim bekommt Andi zurück – und Max alle Frauen, die er haben will.

Sie glaubt an die große Liebe, er hat große Triebe – puh! Wenn man das so hinschreibt, wird einem richtig bewusst, was einen an „Zwei Engel für Amor“ stört: die holzschnittartigen Figuren. Außer der süßen Kim und dem verstrubbelten Max gibt es noch den glatten Andi (Jochen Schropp), die dicke Köchin Britti (Nadja Zwanziger) und den misanthropischen Wirt Schiff (Lutz Herkenrath) – allesamt blutleere Reißbrettexistenzen. David Safier umschreibe seine Figuren „lakonisch, aber präzise“, begründete die Jury seinen Grimme-Preis für „Berlin, Berlin“. Davon ist bei „Zwei Engel für Amor“ nicht viel übriggeblieben.

Kaschiert wird dieser substanzielle Mangel durch einen flotten Schnitt, knallige Farben und pointierte Dialoge. Vor allem Letztere kennzeichnet wieder diese unmenschliche Schlagfertigkeit, die Fernsehserien so lebensfern wirken lässt – und zugleich so beliebt macht.

Auch „Zwei Engel für Amor“ ist ein programmierter Publikumsliebling: nach Hause kommen, den Fernseher ein-, den Kopf ausschalten und mitfiebern – auch wenn man sowieso weiß, wie’s ausgeht. Dass sie sich kriegen. Ganz nebenbei kann man noch Stoff sammeln für den nächsten Streit mit dem Chef. Die Figuren in „Zwei Engel für Amor“ sagen nämlich geistesgegenwärtig all die Dinge, die einem selbst in den entsprechenden Situationen nie einfallen.

Doch vielleicht sollte man „Zwei Engel für Amor“ auch einfach als das nehmen, was es ist: vergleichsweise gut gemachte Fernsehunterhaltung mit sympathischen Darstellern und guter, pfiffig eingesetzter Musik. Während Kim mit ihrem Exfreund Andi dessen neue Wohnung streicht, läuft der Buzzcocks-Hit „Ever Fallen in Love (with someone you shouldn’t’ve“) – im trendigen Cover von Nouvelle Vague.