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Archiv-Artikel

Umfrage bescheinigt Isaf-Truppe starken Imageverlust

AFGHANISTAN Besonders dramatisch ist der Ansehensverlust im Einsatzgebiet der Bundeswehr

VON SVEN HANSEN

BERLIN taz | Eine Umfrage westlicher Medien in Afghanistan bescheinigt der Nato-geführten Isaf-Truppe einen starken Imageverlust. Besonders deutlich ist dieser Trend im Nordosten des Landes, dem Einsatzgebiet der Bundeswehr. Laut der jährlichen Umfrage, die gemeinsam vom deutschen WDR, der britischen BBC, dem US-Sender ABC und der Washington Post im November durchgeführt wurde, ist die Zahl der Befragten, die Anschläge auf Nato-Soldaten befürworten, im Einsatzgebiet der Bundeswehr auf 39 Prozent gestiegen. Landesweit stieg der Anteil um 19 Punkte auf 27 Prozent. Die Ergebnisse der Umfrage, die sechste ihrer Art, wurde am Montag an den Standorten der beteiligten Medien vorgestellt.

„Deutschland wird kaum noch als Verbündeter der Bevölkerung, sondern fast nur noch als ausländische Kriegspartei wahrgenommen“, sagte Arnd Henze, stellvertretender WDR-Auslandschef. „Punktuelle Erfolge im Kampf gegen die Taliban und beim Aufbau der afghanischen Armee werden pragmatisch registriert, aber die Köpfe und Herzen erreicht das deutsche Engagement nicht mehr.“

Im Gesamturteil sprechen erstmals mehr Afghanen dem Engagement der Deutschen eine negative (plus 9 auf 28 Prozent) als eine positive Rolle (minus 7 auf 25 Prozent) zu. Im Nordosten hat sich innerhalb der letzten beiden Jahre die Zahl der Bewohner mit einem positiven Urteil von 45 auf 21 Prozent mehr als halbiert und die Zahl der Kritiker von 8 auf 27 Prozent mehr als verdreifacht. Knapp die Hälfte der Befragten sieht Deutschlands Rolle neutral. Auch bei den USA sehen erstmals mehr eine negative (43 Prozent) als eine positive Rolle (36 Prozent). Trotz massiver deutscher Hilfe werden die Lebensbedingungen im Nordosten schlecht beurteilt. Fast drei von vier Befragten (plus 21 Punkte auf 72 Prozent) beschreiben ihre Berufsmöglichkeiten negativ. Im Landesdurchschnitt sind es zwei Drittel.

Laut der Umfrage, die unter 1.691 Afghaninnen und Afghanen in allen 34 Provinzen durchgeführt wurde, unterstützt eine große Mehrheit einen schnellen Abzug der ausländischen Truppen: 27 Prozent befürworten den von US-Präsident Obama angekündigten Abzugsbeginn im Sommer 2011, noch einmal fast genauso viele einen schnelleren Abzug. Nur 17 Prozent wollen die Truppen länger im Land behalten. Knapp drei Viertel glauben nicht mehr an einen militärischen Sieg, sondern setzen auf eine Verhandlungslösung. Noch 59 Prozent sind der Meinung, das Land bewege sich in die richtige Richtung, 11 Prozent weniger als vor knapp einem Jahr. Auffällig ist laut Henze, das positive Entwicklungen afghanischen Akteuren zugerechnet würden, Fehlentwicklungen dagegen ausländischen Kräften.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle wertete die Umfrage als Bestätigung dafür, die Übergabe der Sicherheitsverantwortung in afghanische Hände fortzusetzen. Zum deutschen Ansehensverlust schwieg er.

Gestern gab das Innenministerium in Kabul bekannt, dass private Sicherheitsfirmen entgegen eines Dekrets von Präsident Karsai nun doch weiter ausländische Truppen, Botschaften sowie Helfer schützen dürfen. Um das lukrative Geschäft war lange geschachert worden.